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Critical Design und Speculative Design sind Ansätze, die darauf abzielen, konventionelle Perspektiven zu durchbrechen und neue Ideen für die Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen zu generieren. Während Critical Design gesellschaftliche, ethische und kulturelle Fragen durch provokante Artefakte und Konzepte anspricht, konzentriert sich Speculative Design darauf, alternative Zukunftsszenarien zu erforschen und kritisch zu durchdenken. Beide Ansätze bieten die Möglichkeit, stereotype Denkmuster zu durchbrechen, soziale Herausforderungen zu diskutieren und in Bereichen wie Fairness und Diversität bestehende Ungleichheiten anzugehen.

Bei den beiden Ansätzen des Critical Designs und des Speculative Designs, geht es darum, neue, spannende und unkonventionelle Perspektiven einzunehmen, um das eigene Produkt oder die eigene Dienstleistung zu verbessern [1][2]. Die Anwendung der beiden Konzepte verspricht dabei nicht nur eine Weiterentwicklung, sondern auch Spaß, durch die Einnahme provokanter oder zukünftiger Perspektiven.

Die Designphilosophie und -praxis Critical Design zielt darauf ab, gesellschaftliche Fragestellungen, kulturelle Normen und politische oder ethische Themen durch gestalterische Ansätze zu hinterfragen und zu reflektieren. Anstatt den Fokus allein auf die Schaffung funktionaler oder ästhetisch ansprechender Produkte zu setzen, zielt Critical Design auf Diskussionen über soziale, ethische und kulturelle Aspekte ab [1].
Durch die Nutzung provokanter, oft auch humorvoller oder absurder Artefakte und Konzepte soll auf Probleme oder bisher unbeachtete Fragestellungen aufmerksam gemacht werden. Diese Ansätze dienen dazu, etablierte Annahmen und Normen zu hinterfragen, alternative Perspektiven einzunehmen und den Betrachtenden anzuregen, über die Auswirkungen von Technologie, Kultur oder Politik nachzudenken [2].

Das verwandte Konzept Speculative Design ist ein kreativer Designansatz, um alternative Zukunftsszenarien zu erforschen und zu präsentieren. Der Schwerpunkt liegt in der Konstruktion hypothetischer Technologien, sozialer Entwicklungen, kultureller oder politischer Veränderungen und die dazugehörige kritische Reflexion dieses Entwurfs. Design wird hierbei als Werkzeug zur Erforschung und Auseinandersetzung hypothetischer Fragestellungen eingesetzt. Artefakte, Prototypen, Geschichten, Videos, etc. können als hypothetische Konstruktion fungieren. Dabei ist der Blick in die Zukunft gerichtet, aber ein wesentliches Ziel der Anwendung ist die Betrachtung möglicher Auswirkungen auf die heutige Gesellschaft und aus unternehmerischer Sicht auf heutige Produkte und Dienstleistungen [1][3].

Für ein besseres Verständnis der beiden Konzepte zeigt die folgende Tabelle eine vergleichende Visualisierung der markanten Aspekte des herkömmlichen, traditionellen Designs und des Critical und Speculative Designs in Anlehnung an die Arbeit von Johannessen und Kollegen [4].

 

traditionelles Design

Critical und Speculative Design

Einstellung

normativ

kritisch

Basis

Informationen

Spekulationen

Denkweise

pragmatisch, produktiv

idealistisch, träumerisch

Zweck

kommerziell;
nutzenorientiert, um Umsatz zu generieren

diskursiv;
Debatte über die Entwicklung der Gesellschaft anregen

Ziel

entwickelt Lösungen vorangegangener Probleme

entdeckt Ideen; Probleme werden durch Fragen identifiziert

Absicht

dient der Produktoptimierung und den Nutzenden

Provokation; nutzt Mehrdeutigkeit für Satire

Tabelle 1: Vergleich traditionelles Design und Critical und Speculative Design, [4]

Hier wird deutlich, dass sich vor allem das Ziel von Critical und Speculative Design, das Identifizieren von Problemen für neue Ideen, gegenüber dem Ziel des lösungsorientierten, traditionellen Designansatzes, unterschiedet, da vorrausschauender agiert werden soll. Während das traditionelle Design auf die Umwelt reagiert, versuchen Critical und Speculative Design die Umwelt durch Veränderung zu verbessern oder zukünftige negative Szenarien zu vermeiden.
Beide Designansätze bieten die Chance, stereotype Denkmuster zu durchbrechen und ein tieferes Verständnis für soziale Herausforderungen zu entwickeln. Dabei können alternative Perspektiven erkundet und gesellschaftliche Fragestellungen diskutiert werden. Kritisches Design konzentriert sich dabei oft auf aktuelle Probleme, während spekulatives Design die Vorstellungskraft nutzt, um eine mögliche Zukunft zu erforschen.

Vor allem in den Bereichen Fairness und Diversität bieten beide Konzepte eine Chance, bestehende Ungleichheiten, Vorurteile und soziale Ungerechtigkeiten zu veranschaulichen und zu beheben. Die Konzepte bieten die Möglichkeit, bereits verankerte Diskrepanzen in der Gestaltung von Produkten, Dienstleistungen und Systemen zu erkennen und alternative Wege für gerechtere Gestaltungslösungen anzustoßen.

Es gibt Beispiele für zahlreiche, erfolgreiche Unternehmen, die im weitesten Sinne mithilfe von Critical und Speculative Design ihre Produkte entwerfen, modellieren oder weiterentwickeln. So hat beispielsweise Tesla bestehende Annahmen über Elektrofahrzeuge und erneuerbare Energie in Frage gestellt und das Image von Elektroautos revolutioniert. Mit dem ersten Model „S“ wurde 2008 gezeigt, dass die Attribute von Elektrofahrzeugen „langweilig“ oder „unpraktisch“ den Attributen „stilvoll“ oder „leistungsstark“ wichen und Tesla inzwischen als Statussymbol fungiert [5]. Auch die Pläne und Konzepte für vollständig selbstfahrende Autos eröffnen spekulative Diskussionen über die Zukunft der Mobilität.

Die Anwendungsbereiche der Konzepte sind vielfältig, wie ein Onlineexperiment des Museum of Modern Art zeigt. Dabei werden auf der Online-Plattform „Design and Violence“ Formen von Gewalt in der Gesellschaft erforscht, indem kritische Denker das Design von Produkten und Gewalt in Beziehung zueinander setzen [6].

Ein weiteres interessantes Beispiel liefert der Podcast „The Good Robot - Where Technology meets Feminism“ von der University of Cambridge unter der Leitung von Dr. Kerry Mackereth und Dr. Eleanor Drage [7].

In der nächsten Woche folgt der zweite Teil des Blogbeitrages zum Critical und Speculative Design, in dem wir Ihnen anhand von KI-Algorithmen die Anwendung der beiden Ansätze veranschaulichen.

 

Referenzen

[1] Malpass, M. (2013). Between Wit and Reason: Defining Associative, Speculative, and Critical Design in Practice. Design and Culture, 5(3), 333-356. https://doi.org/10.2752/175470813X13705953612200

[2] Malpass, M. (2019). Critical design in context: History, theory, and practices. Bloomsbury Visual Arts.

[3] Dunne, A. & Raby, F. (2013). Speculative everything: Design, fiction, and social dreaming. MIT Press.

[4]Johannessen, L. K., Keitsch, M. M. & Pettersen, I. N. (2019). Speculative and Critical Design — Features, Methods, and Practices. Proceedings of the Design Society: International Conference on Engineering Design, 1(1), 1623–1632. https://doi.org/10.1017/dsi.2019.168

[5] Tesla. (2024, 22. Janauar). Elektrofahrzeuge, Solaranlagen und saubere Energie | Tesla. https://www.tesla.com/de_de

[6] Science Gallery Dublin. (2024, 22. Januar). Design and Violence — Science Gallery Dublin. https://dublin.sciencegallery.com/designandviolence

[7] The Good Robot. (2024, 22. Januar). Feminism And Technology | The Good Robot Podcast. https://www.thegoodrobot.co.uk/


29.01.24

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