Die webbasierte interaktive Lernapp für Lieferanten in Schwellen- und Entwicklungsländern von Sustify soll dabei helfen, die Rechtskonformität in globalen Lieferketten zu erhöhen. Über einen spielerischen Ansatz sollen die ArbeiterInnen dieser Unternehmen für Sozial- und Umweltstandards, wie beispielsweise Gesundheits- und Brandschutzmaßnahmen sensibilisiert werden, sie verstehen und verinnerlichen.
Bislang richtete sich die Lernapp an Unternehmen und deren ArbeiterInnen aus dem asiatischen Raum, wie beispielsweise Bangladesch oder China. Anfang 2022 eröffnete sich für Sustify allerdings durch einen neuen Kunden auch eine bislang unbekannte Zielgruppe – Fachkräfte aus der westlichen Welt, d. h. aus Europa und den USA. Um die bisherige Lernapp optimal an die Bedarfe und Bedürfnisse der neuen Zielgruppe anpassen zu können, ist es zunächst erforderlich, diese in ihrer Tiefe zu ergründen.
Um die neue Zielgruppe der Fachkräfte in westlichen Unternehmen systematisch zu analysieren, bildet der erste Schritt des gemeinsamen Pilotprojekts die Durchführung einer Nutzungskontextanalyse nach Thomas und Bevan [2]. Durch die Nutzungskontextanalyse werden detailliert Informationen über das Produkt, die soziale und physische Nutzungsumgebung, die jeweiligen NutzerInnengruppen und Aufgabenschritte, die mit dem Produkt ausgeführt bzw. durchlaufen werden, gesammelt. All diese Informationen sind im Laufe der Ausgestaltung eines Produkts wertvoll, um sich zwischen verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten zu entscheiden. So ist die derzeitige Lernapp beispielsweise so konzipiert, dass sie auch von AnalphabetInnen genutzt werden kann. Sollte sich nun bei der Analyse der neuen Zielgruppe herausstellen, dass diese in der Regel keine Schwierigkeiten beim Lesen haben, könnte es möglicherweise sinnvoll sein, sich in der Lernapp auf die Textinhalte zu fokussieren. Ein Ziel des Pilotprojekts ist auch, bei der menschzentrierten Anpassung der Lernapp an die neue Zielgruppe die Vereinbarkeit mit didaktischen Aspekten zu gewährleisten. Daher wurde die Nutzungskontextanalyse um Fragen erweitert, welche dazu beitragen, durch die Gestaltungsentscheidungen auch das Lernen zu begünstigen.
Neben Entscheidungshilfen für die Gestaltung liefern die Ergebnisse der Nutzungskontextanalyse, und dabei insbesondere die ermittelten Aufgabenschritte, auch wichtige Hinweise darüber, welche Ansätze ein Produkt für positive Erlebnisse (positive User Experience) aufweist. Nach der Ausarbeitung der Nutzungskontextanalyse ist geplant, die Erkenntnisse zu nutzen, um für die Lernapp Konzepte für positive Erlebnisse zu entwickeln. Als Hilfsmittel sollen hierfür die Ergebnisse aus Erlebnisinterviews herangezogen werden, die zum Thema Sprachlernen geführt wurden [1]. Zwar lag der Fokus in den Interviews auf dem Gebiet des Sprachlernens, allerdings ergeben sich aus den Ergebnissen dennoch interessante Erkenntnisse, die sich auf das Lernen an sich übertragen lassen. So zeigte sich beispielsweise, dass beim (Sprach-) Lernen häufig positiv erlebt wird, wenn ein Fortschritt bemerkt wird.
Auch bei der Ausarbeitung von Konzepten für positives Erleben soll zeitgleich die didaktische Perspektive eingenommen werden. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass die Konzepte für positive User Experience das Lernen nicht beeinträchtigen und umgekehrt.
Mehr über Sustify und das gemeinsame Pilotprojekt finden Sie auf der entsprechenden Projektseite.
Literatur und Hinweise
[1] Die Erlebnisinterviews zum Thema Sprachlernen wurden in einem bezahlten Industrieauftrag zur Gestaltung einer Sprachlern-Plattform der Hochschule der Medien geführt und ausgewertet.
[2] Thomas, C., & Bevan, N. (1996). Usability context analysis: a practical guide.
27.04.22