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Die großen Erfolge im Netz sind auch immer Erfolge von Usability und Innovation. Dafür braucht man nicht immer das große Geld. Aber es hilft.

Manchmal stolpert man über spannenden Input an unerwarteter Stelle. Auf der Suche nach einem Hemd durchstreifte ich Hamburgs Innenstadt. Bei einem großen Herrenausstatter sehe ich zwischen Jeans und Sweatshirt einen Büchertisch. Was mag da wohl liegen, trieb mich unspezifische Neugier sofort von Hemd zu Buch. In erster Linie Coffetable-Books – war ja klar. Taschen Verlag, die machen ja wirklich schöne Sachen zum gucken, Jazz-Platten-Cover, großformatige Fotobände und so was. Bilderbücher, aber eben auch mit "Content".
 
An einem bleib ich hängen: „Erfolgsgeschichten aus dem Web“ herausgegeben von – dem mir damals ehrlicherweise da noch nicht so geläufigen - Design-Guru Julius Wiedemann und Rob Ford, Journalist mit Schwerpunkt Web und Initiator des „Favorite Website Award“ (FWA). Knallorange, fettes, kartonartiges Papier, hohe Druckqualität, Hardcover mit Gummiband, warum auch immer. Das hat was, schon beim in-die-Hand-nehmen und blättern. Auch der Text kann glänzen.
 
Die Geschichte beindruckender Webseiten gegliedert nach Kampagnen, E-Commerce, Promotional, Social Media und Corporate wird von Anfang an dokumentiert. Ich mag, wie die einzelnen Projekte kurz vorgestellt werden und alle nach einem bestimmten Schema aufgebaut sind. So hat man Orientierung und Vergleichbarkeit. Wichtige statistische Informationen helfen bei der Einordnung. Die Bildqualität ist beindruckend, die gestalterische Umsetzung auch. Der Aufbau der Inhalte in Briefing, Herausforderung, Lösung, Erfolg hat beim Lesen sehr viel Spaß gemacht, weil es knapp und prägnant geschrieben ist und mit dem statistischen Zusatzmaterial keine Fragen offen lässt, ja einen wirklich verstehen lässt, wie das Projekt entwickelt wurde. Dazwischen themengebundene Essays von Web-Größen wie Ajaz Ahmed, Chairman der Agentur AKQA: „Die Arbeiten teilen nicht irgendein Image, sondern ein gemeinsames Erlebnis.“

Ein Kritikpunkt an der Sammlung, alles zu werblich, zu konzentriert auf große Budgets und Marken, greift nicht immer, wie die Kampagne des Fußballclubs Grêmio Football Porto Alegrense zeigt.
 
Auch wenn jeder denkt "Klar, dass ein Mann die Fußballkampagne jetzt besonders mag," ich war bei ihr angekommen, weil hier als Herausforderung ein eher limitiertes Budget vorgegeben war. Da war ich selbst von meinen Arbeitgebern/Kunden auch nie so richtig verwöhnt worden und find es per se spannend, auch aus begrenzten Mittel etwas zu schaffen.
 
Grêmio Football Porto Alegrense wollte nach 25 Jahren seinen größten Triumpf, den Gewinn der Club-Weltmeisterschaft (Gewinner des Europapokals der Landesmeister gegen dessen südamerikanisches Pendant) mit einem 2:1 Sieg in Tokio über den HSV, feiern und gleichzeitig ordentlich Merchandising-Produkte wie das „Retro-Trikot mit Stern“ verkaufen. Inspiriert von der Bedeutung des Sieges adoptierte man einen Stern, was im Netz wirklich günstig zu machen ist, „solange man nicht auf Schürfrechte besteht“. Auf einer eigens eingerichteten Website konnte man sich den Stern bei Google Sky anschauen, Höhepunkte des Spiels sehen und kommentieren. Der „Grêmio-Stern“ war ein echter Hit, großes Thema in sozialen Netzwerken und schaffte es in Brasilien in alle Medien, 70.000 Unique User besuchten die Website und beflügelten den Andenkenverkauf. Einfach einfach.
 
Und diese Botschaft zieht sich durch das ganze Buch, dass man wirklich immer wieder vornehmen kann, um sich inspirieren zu lassen: Keep it simple. Lass den User nicht im Unklaren, was du willst, wofür du stehst und schon gar nicht, wie man auf deiner Seite navigiert. Auf der Webseite des Taschen Verlags sind alle Bücher von Julius Wiedemann aufgelistet, ein beindruckendes Ouervre.

Ich freu ich schon auf: Erfolg in der Hand: Apps und das mobile Web. Grad bestellt, denn das lag beim Herrenausstatter nicht auf dem Büchertisch.
 
Das Hemd habe ich übrigens woanders gekauft.

08.05.13

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