Lean UX wird als Methode angewandt, um die wahre Natur eines Produkts schneller ans Licht zu bringen. Selbst die besten Experten können die Reaktion von Markt und Kunden auf ein neues Produkt nicht vorhersagen. Lean UX berücksichtigt diesen Umstand und hält dazu an, möglichst schlanke und schnell lieferbare Produktversionen zu bauen. Auch wenn das Produkt noch unvollständig ist, kann bereits wertvolles Feedback von Nutzern gesammelt werden. So wird sichergestellt, dass man nicht nur ein hervorragendes Produkt entwickelt, sondern auch das richtige Produkt für die Zielgruppe.
Johannes Müller, Geschäftsführer der uxcite GmbH, über Lean UX.
Johannes Müller, Geschäftsführer der uxcite GmbH, über Lean UX.
Lean UX steht für interdisziplinäre Zusammenarbeit und experimentelles Lernen. Lean UX kommt aus dem Umfeld der amerikanischen Startup-Szene und vereint Ansätze aus agiler Softwareentwicklung, Design Thinking, und Lean Startup. Gerade für Startups ist es sehr wichtig sicherzustellen, dass es auch Kunden für ihre innovativen Produkte gibt, bevor das Geld ausgeht. Aber auch etablierte Unternehmen können mit Lean UX ihre Produkte näher an den Bedürfnissen ihrer Nutzer ausrichten, Ideen schneller validieren und Kosten senken.
Die wichtigsten Prinzipien von Lean UX im Überblick:
1. Interdisziplinäre Teams
Neues Wissen entsteht an den Schnittstellen verschiedener Fachbereiche. Deswegen setzt Lean UX auf interdisziplinäre Zusammenarbeit. Ein Team sollte Experten für Softwareentwicklung, Produktmanagement und Design beinhalten. Aber darüber hinaus sollten auch Vertreter des Marketing, des Vertriebs und des strategischen Managements teilnehmen. Kurz: Ein Lean UX-Team vereint alle Kompetenzen in sich, die für den Erfolg des Produkts nötig sind.
Das Team besteht zudem nicht nur für ein Kick-Off-Meeting. Vom Anfang bis zum Ende des Projekts ist ein hohes Maß an Engagement von allen Beteiligten erforderlich. Dafür sollte das Team nicht zu groß sein (max. 10 Mitglieder) und die Möglichkeit haben, an einem Ort zusammenzuarbeiten. Nur so ist es möglich, zusammen Erfahrungen zu sammeln und ein gemeinsames Verständnis von Produkt und Kunden zu erlangen.
2. Ergebnisse statt Durchsatz
Bei Lean UX geht es darum, Ergebnisse in Form von Geschäftszielen zu erreichen, nicht Features oder Spezifikationen zu liefern. Es ist einfacher den Durchsatz eines Teams in Features zu messen, aber ist es nicht sichergestellt, dass diese Features auch zum Erreichen der Geschäftsziele beitragen. Erst wenn das Feature im Markt ist, weiss man, ob es die gewünschte Wirkung hat.
Deswegen legt Lean UX wert darauf, dass das gesamte Team die Geschäftsziele kennt und an den Fortschritten gemessen wird. Das zeugt von Vertrauen in das Team und ermöglicht es den Mitgliedern die richtigen Entscheidungen anhand objektiver Kriterien zu treffen.
3. Verschwendung reduzieren
Ein Kernprinzip des "Lean Manufacturing" ist es, Verschwendung zu reduzieren. Im Industriebereich ging es zum Beispiel darum, die Lagerhaltung von Rohstoffen zu minimieren, "Just-in-Time" war die logische Konsequenz. Übertragen auf Lean UX Teams bedeutet es auf alle überflüssigen Aktivitäten zu verzichten, die nicht der Wertschöpfung dienen.
Verschwendung kann viele Formen annehmen. Ausführliche Spezifikationen von nie umgesetzten Features sind genauso Verschwendung wie überlange Meetings statt schneller, direkter Kommunikation.
4. Kleine Arbeitspakete
Das Risiko von Verschwendung wird minimiert, wenn man in kleinen Arbeitspaketen arbeitet. An UX-Konzepten und Designs sollten nur dann gearbeitet werden, wenn das Team sie auch direkt verarbeiten kann. Große Arbeitspakete machen Teams ineffizient, weil sie auf die Übergabe der Konzepte warten müssen und dann bei der Umsetzung oftmals wieder Änderungen am Konzept nötig sind.
Statt große Listen mit nie implementierten Ideen zu pflegen, sollte man lieber nur so viele Features vorbereiten, wie das Team auch umsetzen kann.
5. Ständiges Lernen
Durch Einbeziehung der Kunden in den Design- und Entwicklungsprozess ist es möglich, ständig neue Erkenntnisse zu gewinnen. Dafür eignen sich sowohl qualitative Methoden wie Usability Tests, als auch quantitative Methoden, die wichtige Kennzahlen messen.
Produkte werden nicht nur ein Mal beim Release getestet, sondern über die gesamte Entwicklung hinweg. Auch mit dem ersten Papierprototypen lässt sich bereits wertvolles Feedback von Nutzern erhalten. Bei Kundeninterviews kann das gesamte Team teilnehmen. So erlangt es ein besseres Verständnis der Kunden und kann dazu beitragen, ihre Probleme besser zu lösen.
Wichtig ist dabei der Merksatz "Get out of the building", den Steve Blank im Rahmen der Customer Development Methode formulierte: Es gibt kein neues Wissen im Gebäude der eigenen Firma, deswegen ist es wichtig, mit Kunden von außerhalb zu sprechen.
6. Machen, statt Analysieren
Es ist besser eine erste Version eines Produkts zu bauen und sie zu testen, als tagelang über alle Einzelheiten zu diskutieren. Im Konferenzraum wird man kaum die Antwort auf alle Fragen finden und die Kunden werden neue Fragen aufwerfen, sobald sie das Produkt in den Händen halten.
Deswegen lohnt es sich anzupacken und schnell eine erste Produktversion, oder einen Prototypen, zu erstellen.
7. Lernen vor Wachstum
Es ist schwierig herauszufinden, welches Produkt man herstellen sollte und gleichzeitig dieses Produkt am Massenmarkt zu platzieren. Zugleich stellt dies ein großes Risiko dar, denn die Idee kann funktionieren, muss aber nicht.
Deswegen empfiehlt es sich die Skalierung erst anzugehen, wenn man herausgefunden hat, ob das Produkt am Markt erfolgreich ist. Damit stellt man sicher, dass sich die Kosten im Rahmen halten und das Team schnell und flexibel experimentieren kann.
8. Misserfolge sind erlaubt
Um herauszufinden, ob man das richtige Produkt erstellt, ist es nötig Experimente durchzuführen. Viele Ideen werden im Experiment scheitern. Aber auch gescheiterte Experimente tragen dazu bei, das Ziel zu erreichen, schließlich weiß man, welchen Weg man bereits abhaken kann.
Für das Team ist es wichtig zu wissen, dass Misserfolge erlaubt und gewünscht sind. Je früher ein Misserfolg feststeht, desto weniger Zeit und Geld wird dafür verschwendet. Und eine Kultur, in der viel experimentiert wird, spornt die Kreativität bei allen Teammitgliedern an und sorgt für viele weitere gute Ideen!
Fazit
Lean UX ist eine Sammlung von Praktiken, Prinzipien und Werten, die Teams dabei hilft ihre Ideen schneller zu testen und näher am Kunden zu entwickeln. Für Unternehmen, die Lean UX einführen möchten, besteht die größte Herausforderung darin, bestehende Strukturen einzureißen und interdisziplinäre Teams zu formen, die einem gemeinsamen Geschäftsziel folgen.
Gelingt dies, dann ist der Weg offen für eine neue Art der Zusammenarbeit im Team - und mit den Kunden!
Bild von Claire Murray.
Bildquelle: https://www.flickr.com/photos/flat61/3883611573/
Weiterführende Quellen:
Über den Autor Johannes Müller:
Johannes Müller ist Geschäftsführer und Mitgründer der uxcite GmbH. Sein besonderer Schwerpunkt ist agile Produktentwicklung im Sinne des Lean UX. Zuvor war er bei der CHECK24 Vergleichsportal Versicherungen AG im Business Development tätig, etablierte dort nutzerzentrierte Designmethoden im Unternehmen und führt ein Software-Entwicklungsteam. Seine berufliche Karriere startete Johannes beim erfolgreichen Online Marketing Startup intelliAd Media GmbH als Produktmanager.
Die wichtigsten Prinzipien von Lean UX im Überblick:
1. Interdisziplinäre Teams
Neues Wissen entsteht an den Schnittstellen verschiedener Fachbereiche. Deswegen setzt Lean UX auf interdisziplinäre Zusammenarbeit. Ein Team sollte Experten für Softwareentwicklung, Produktmanagement und Design beinhalten. Aber darüber hinaus sollten auch Vertreter des Marketing, des Vertriebs und des strategischen Managements teilnehmen. Kurz: Ein Lean UX-Team vereint alle Kompetenzen in sich, die für den Erfolg des Produkts nötig sind.
Das Team besteht zudem nicht nur für ein Kick-Off-Meeting. Vom Anfang bis zum Ende des Projekts ist ein hohes Maß an Engagement von allen Beteiligten erforderlich. Dafür sollte das Team nicht zu groß sein (max. 10 Mitglieder) und die Möglichkeit haben, an einem Ort zusammenzuarbeiten. Nur so ist es möglich, zusammen Erfahrungen zu sammeln und ein gemeinsames Verständnis von Produkt und Kunden zu erlangen.
2. Ergebnisse statt Durchsatz
Bei Lean UX geht es darum, Ergebnisse in Form von Geschäftszielen zu erreichen, nicht Features oder Spezifikationen zu liefern. Es ist einfacher den Durchsatz eines Teams in Features zu messen, aber ist es nicht sichergestellt, dass diese Features auch zum Erreichen der Geschäftsziele beitragen. Erst wenn das Feature im Markt ist, weiss man, ob es die gewünschte Wirkung hat.
Deswegen legt Lean UX wert darauf, dass das gesamte Team die Geschäftsziele kennt und an den Fortschritten gemessen wird. Das zeugt von Vertrauen in das Team und ermöglicht es den Mitgliedern die richtigen Entscheidungen anhand objektiver Kriterien zu treffen.
3. Verschwendung reduzieren
Ein Kernprinzip des "Lean Manufacturing" ist es, Verschwendung zu reduzieren. Im Industriebereich ging es zum Beispiel darum, die Lagerhaltung von Rohstoffen zu minimieren, "Just-in-Time" war die logische Konsequenz. Übertragen auf Lean UX Teams bedeutet es auf alle überflüssigen Aktivitäten zu verzichten, die nicht der Wertschöpfung dienen.
Verschwendung kann viele Formen annehmen. Ausführliche Spezifikationen von nie umgesetzten Features sind genauso Verschwendung wie überlange Meetings statt schneller, direkter Kommunikation.
4. Kleine Arbeitspakete
Das Risiko von Verschwendung wird minimiert, wenn man in kleinen Arbeitspaketen arbeitet. An UX-Konzepten und Designs sollten nur dann gearbeitet werden, wenn das Team sie auch direkt verarbeiten kann. Große Arbeitspakete machen Teams ineffizient, weil sie auf die Übergabe der Konzepte warten müssen und dann bei der Umsetzung oftmals wieder Änderungen am Konzept nötig sind.
Statt große Listen mit nie implementierten Ideen zu pflegen, sollte man lieber nur so viele Features vorbereiten, wie das Team auch umsetzen kann.
5. Ständiges Lernen
Durch Einbeziehung der Kunden in den Design- und Entwicklungsprozess ist es möglich, ständig neue Erkenntnisse zu gewinnen. Dafür eignen sich sowohl qualitative Methoden wie Usability Tests, als auch quantitative Methoden, die wichtige Kennzahlen messen.
Produkte werden nicht nur ein Mal beim Release getestet, sondern über die gesamte Entwicklung hinweg. Auch mit dem ersten Papierprototypen lässt sich bereits wertvolles Feedback von Nutzern erhalten. Bei Kundeninterviews kann das gesamte Team teilnehmen. So erlangt es ein besseres Verständnis der Kunden und kann dazu beitragen, ihre Probleme besser zu lösen.
Wichtig ist dabei der Merksatz "Get out of the building", den Steve Blank im Rahmen der Customer Development Methode formulierte: Es gibt kein neues Wissen im Gebäude der eigenen Firma, deswegen ist es wichtig, mit Kunden von außerhalb zu sprechen.
6. Machen, statt Analysieren
Es ist besser eine erste Version eines Produkts zu bauen und sie zu testen, als tagelang über alle Einzelheiten zu diskutieren. Im Konferenzraum wird man kaum die Antwort auf alle Fragen finden und die Kunden werden neue Fragen aufwerfen, sobald sie das Produkt in den Händen halten.
Deswegen lohnt es sich anzupacken und schnell eine erste Produktversion, oder einen Prototypen, zu erstellen.
7. Lernen vor Wachstum
Es ist schwierig herauszufinden, welches Produkt man herstellen sollte und gleichzeitig dieses Produkt am Massenmarkt zu platzieren. Zugleich stellt dies ein großes Risiko dar, denn die Idee kann funktionieren, muss aber nicht.
Deswegen empfiehlt es sich die Skalierung erst anzugehen, wenn man herausgefunden hat, ob das Produkt am Markt erfolgreich ist. Damit stellt man sicher, dass sich die Kosten im Rahmen halten und das Team schnell und flexibel experimentieren kann.
8. Misserfolge sind erlaubt
Um herauszufinden, ob man das richtige Produkt erstellt, ist es nötig Experimente durchzuführen. Viele Ideen werden im Experiment scheitern. Aber auch gescheiterte Experimente tragen dazu bei, das Ziel zu erreichen, schließlich weiß man, welchen Weg man bereits abhaken kann.
Für das Team ist es wichtig zu wissen, dass Misserfolge erlaubt und gewünscht sind. Je früher ein Misserfolg feststeht, desto weniger Zeit und Geld wird dafür verschwendet. Und eine Kultur, in der viel experimentiert wird, spornt die Kreativität bei allen Teammitgliedern an und sorgt für viele weitere gute Ideen!
Fazit
Lean UX ist eine Sammlung von Praktiken, Prinzipien und Werten, die Teams dabei hilft ihre Ideen schneller zu testen und näher am Kunden zu entwickeln. Für Unternehmen, die Lean UX einführen möchten, besteht die größte Herausforderung darin, bestehende Strukturen einzureißen und interdisziplinäre Teams zu formen, die einem gemeinsamen Geschäftsziel folgen.
Gelingt dies, dann ist der Weg offen für eine neue Art der Zusammenarbeit im Team - und mit den Kunden!
Bild von Claire Murray.
Bildquelle: https://www.flickr.com/photos/flat61/3883611573/
Weiterführende Quellen:
- Jeff Gothelf with Josh Seiden, Lean UX - Applying Lean Principles to Improve User Experience, 2012
- Eric Ries, The Lean Startup, 2011
- Anthony Viviano, The Lean UX Manifesto: Principle-Driven Design, aus Smashing Magazine, 2014
- Jeff Gothelf, Lean UX: Getting Out Of The Deliverables Business, aus Smashing Magazine, 2011
- Anders Ramsay, Agile UX vs Lean UX – How they’re different and why it matters for UX designers, 2012
Über den Autor Johannes Müller:
Johannes Müller ist Geschäftsführer und Mitgründer der uxcite GmbH. Sein besonderer Schwerpunkt ist agile Produktentwicklung im Sinne des Lean UX. Zuvor war er bei der CHECK24 Vergleichsportal Versicherungen AG im Business Development tätig, etablierte dort nutzerzentrierte Designmethoden im Unternehmen und führt ein Software-Entwicklungsteam. Seine berufliche Karriere startete Johannes beim erfolgreichen Online Marketing Startup intelliAd Media GmbH als Produktmanager.
13.05.14