Zwei methodische Vorgehensweisen gewinnen bei der Entwicklung interaktiver, technischer Systeme zunehmend an Bedeutung: zum einen der Ansatz des User Centered Design (UCD) zum anderen agile Methoden, wie z.B. Scrum. Beide tragen zu einer optimierten Systementwicklung bei, setzen dabei aber unterschiedliche Schwerpunkte.
UCD stellt die zukünftigen Nutzereines Systems in den Mittelpunkt der Entwicklung , um Usability und User Experience (UUX) zu verbessern. Implementierungsschritte und der Einsatz evaluativer UUX-Methoden werden dabei iterativ miteinander verschränkt, so dass in der Evaluation aufgedeckte Mängel im nächsten Zyklus der Iteration beseitigt werden können.
Scrum, die am häufigsten eingesetzte agile Methode, fokussiert die Entwicklung auf die Anforderungen des Kunden(der nicht identisch zum Nutzer sein muss). Besonderer Wert wird dabei darauf gelegt, diese Anforderungen aus Kundensicht zu formulieren und im Zuge der Entwicklung an etwaige Veränderungen der Kundenwünsche anzupassen. Ein weiteres Charakteristikum von Scrum besteht darin, die Umsetzung der Anforderungen in sehr kurzen Implementierungsschritten, sog. Sprints, voranzutreiben, wobei nach Abschluss eines jeden Sprints eine lauffähige Erweiterung des Systems vorliegen muss.
Sowohl UCD als auch Scrum können maßgeblich dazu beitragen, die Erfüllung von Nutzer- und Kundenanforderungen zu verbessern – UCD durch das Erkennen und Beseitigen von UUX-Defiziten, Scrum durch die flexible Anpassung an Kundenanforderungen und kurze Entwicklungsschritte, die dem Kunden einen besseren Einblick in den Entwicklungsfortschritt ermöglichen.
Allerdings scheinen beide Ansätze keine „natürlichen Freunde“ zu sein, denn jede UUX-Evaluation kostet Zeit und deckt möglicherweise Mängel auf, deren Beseitigung ebenfalls zeitintensiv ist. Dies kann dazu führen, dass die für einen Sprint gesetzten Ziele nicht fristgerecht erreicht werden. Zur Beseitigung dieses Konflikts bieten sich organisatorische Maßnahmen, wie z.B. die Methode des “one sprint ahead” an. Hier kann in einem Analyse-Sprint die Konzeption einer Funktionalität nach dem User Centered Design Prozess vorgenommen werden, so dass am Ende ein vorgetesteter (Teil-)Prototyp oder ein Mock-up vorliegt, der anschließend im Entwicklungs-Sprint umgesetzt wird. Zusätzlich zu dieser organisatorischen Maßnahme eröffnet die Digitalisierung analoger Tools , wie sie derzeit noch sehr häufig in Scrum-Teams eingesetzt werden, weitere Potentiale. Werden beispielsweis analoge Scrum Boards durch digitale Boards ersetzt und mit anderen Endgeräten, wie Smartphones, Tablets und Laptops, vernetzt, so können Kunden bzw. Nutzer und Dienstleister unmittelbar in die agilen Prozesse eingebunden werden und direkt an der Optimierung von UUX mitwirken.
Über Prof. Dr. phil. Manfred Thüring
Prof. Dr. phil. Manfred Thüring studierte Psychologie und Informatik und promovierte 1990 an der TU Berlin im Bereich Kognitionspsychologie. Dreizehn Jahre lang war er in führenden Positionen verschiedener Wirtschaftsunternehmen der Informations- und Kommunikationstechnologie tätig. Seit 2001 leitet er das Fachgebiet Kognitionspsychologie und kognitive Ergonomie am Institut für Psychologie und Arbeitswissenschaft der TU Berlin. Er gehört zu den Initiatoren des Masterstudiengangs Human Factors und ist Mitgründer sowie Partner und Principle Consultant der UseTree GmbH ().Seine Forschungsschwerpunkte sind Kognitionswissenschaft, Mensch-Technik-Interaktion, Verkehrspsychologie sowie Usability Engineering und Testing.
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06.06.18