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Wir kommunizieren und kollaborieren zunehmend virtuell. Ständiger Begleiter, ob in Chats, Social Enterprise Software, oder Videokonferenzen sind die sogenannten Emojis. Die bunten Smilies sind jedoch mehr als nur ein lustiges Gadget. Vielmehr sind sie eine naheliegende Lösung, um Emotionen auch in virtueller Kollaboration zu vermitteln. In diesem Beitrag befassen wir uns mit vielen Fragen rund um die bunten Kommunikationshilfen und die Notwendigkeit und Vorteile von Emotionsvermittlung bei virtueller Kommunikation und Kollaboration.

Mehr und mehr Arbeit wird heute durch Kollaboration erledigt, jedoch nicht von Angesicht zu Angesicht, sondern virtuell. Vor allem wenn man zusammen ein gemeinsames Problem lösen soll, ist die Leistung der Gruppe mehr als die Summe der Individualleistungen. Das liegt vor allem daran, dass bei kollaborativer Problemlösung ein gemeinsames Engagement und entsprechende Kommunikation gefordert sind. Dabei geht es nicht nur um den Austausch von Informationen und Lösungsvorschlägen (epistemische Ebene der Zusammenarbeit), sondern auch um gegenseitiges Motivieren, Beziehungsaufbau und Reaktionen (relationale Ebene). Das Besondere bei virtueller Zusammenarbeit: Vieles was auf relationaler Ebene beim kollaborativen Problemlösen wichtig ist (z.B. Feedback, Motivation), ist virtuell schwerer zu vermitteln. Immerhin fallen Informationen aus Mimik, Gestik oder Tonlage hier oft weg. Eine Möglichkeit dieses Defizit zu kompensieren stellen beispielsweise die verbreiteten Emojis dar. Diese haben sich mittlerweile in nahezu allen digitalen Kommunikationskanälen durchgesetzt, ob in Messengern, Videokonferenzen oder Social-Enterprise Softwares. Wohingegen sie oft nur als lustiges Gadget von Kommunikationstools gesehen und genutzt werden, ist ihre wichtige Funktion in der virtuellen Zusammenarbeit von Gruppen nicht zu unterschätzen.
Facebook stellt mit der Einführung von Reaktionen ein gutes Beispiel dar, wieso zusätzliche Möglichkeiten zur Kommunikation von Emotionen überhaupt notwendig sind. Immerhin reicht es in vielen Situationen nicht aus, einfach ein „Like“ dazulassen. Der beliebte „Gefällt-mir-Button“ kann beispielsweise positive Reaktionen andeuten. Um welche Art von positiver Emotion es sich genau handelt bleibt dabei aber oft unklar. Ob der Nutzer damit Zustimmung, bloße Kenntnisnahme, oder ein überschwängliches Lob ausdrücken möchte bleibt Interpretationssache. Möglichkeiten, negative Emotionen mitzuteilen, zum Beispiel mithilfe des oft geforderten „Gefällt mir nicht“- Knopf, fehlten zudem gänzlich.

Schon 2016 führte Facebook daher die Reaktionen ein: Sie bieten seitdem die Möglichkeit, auch Überraschung, Trauer, Freude oder Wut zu zeigen. Hinter der Einführung standen sehr viele wichtige Überlegungen, die sich mit der Usability der neuen Reaktionen befassten. Dies zeigt auch sehr anschaulich, wie viele Aspekte auch bei der Einführung scheinbar „simpler“ Features beachtet werden müssen. In diesem Blogbeitrag von Geoff Tehan, damals Direktor des Produktdesigns bei Facebook, wird der Prozess genauer beschrieben. Ein kurzer Blick hierein lohnt sich daher, um zu verstehen wie die folgenden Fragen beantwortet wurden.

  • Wie viele und welche Emotionen sollten integriert werden?
  • Wie sollen die Emojies aussehen, so dass sie intuitiv verständlich sind, aber auch nicht mit ähnlichen Emotionen verwechselt werden?
  • Soll man die Emojies mit Bezeichnung versehen („Haha“, „Yay“, „Wow“), und wenn ja, wie schafft man eine international verständliche Bezeichnung?
  • Sollen die Emojies animiert sein?

Bei all diesen Fragen ist es kein Wunder, dass an dem „Reaktionen“ Projekt über ein Jahr gearbeitet wurde, inklusive einer mehrmonatigen Testphase. Um Antworten auf obige Fragen zu finden, analysierte das Projektteam Kommentare sowie die Nutzung von „Stickern“ auf Facebook. Zudem testeten sie eine erstaunliche Vielzahl an Möglichkeiten. Bei der Findung der Zahl und Art von Emotionen orientierte man sich an den grundlegenden psychologischen Emotionen: Glücklichkeit, Traurigkeit, Wut, Überraschung und Humor. Die finale Lösung enthielt schließlich die bekannten Emojis mit den Labels „Love“, „Haha“ (Humor), „Sad“ (Traurigkeit), „Wow“ (Überraschung), „Yay“ (Glücklichkeit) und „Angry“ (Ärger), sodass sie insgesamt relativ eng an den etablierten Emotionen blieben.
Doch wie kamen diese Reaktionen bei den Usern an? Und reichen die ausgewählten Emojis wirklich schon aus? Diesen und weiteren Fragen ist jüngst ein Team von Forschern der Universitäten Florida und Maryland nachgegangen. Sie analysierten 3000 Kommentare unter den offiziellen Facebook Posts vor und nach der Einführung des Features. Im Grunde also eine Analyse der Reaktionen auf „Reaktionen“.
Die Ergebnisse deuten auf überwiegend positive Bewertungen. Interessant: Die Bewertungen des neuen Features waren auch davon abhängig, wie die User zu der Alternative an Reaktionen standen. Eine andere (und viel simplere) Möglichkeit, diversere Emotionen mitzuteilen, war demnach die Einführung eines „Gefällt mir nicht“-Button.
Hatten User Angst vor der Einführung dieser Alternative, bewerteten sie die Reaktionen positiver. Andererseits reagierten Nutzer, die Befürworter des „Gefällt mir nicht“-Button waren, eher mit Wut und Trauer und dadurch mit negativeren Bewertungen des neuen Features. Dies zeigt zum einen, dass die Userbewertungen eines neuen Features eine hoch emotionale Angelegenheit sind (Angst, Wut und Trauer), zum anderen, dass die Bewertung von neuen Features auch in einem Vergleichskontext zu alternativen Möglichkeiten geschieht.
Doch die Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass noch nicht alles perfekt ist. Viele User wünschten die Möglichkeit, mehrere Reaktionen zusammen zu verwenden, um Missverständnisse vorzubeugen. Darüber hinaus waren Forderungen nach mehr Empathie-vermittelnden Reaktionen verbreitet. Während der laufenden Corona-Pandemie wurde so beispielsweise ein „Mitgefühl“-Button mit dieser Funktion eingeführt. Viele weitere Vorschläge für Reaktionen kamen von den Usern, beispielsweise für „Ekel“, „Danke“, „Prost“, „Beten“ und „Umarmung“. Hier zeigt sich bereits, dass in unserer virtuellen Kommunikation noch Platz für sehr viel mehr Emotionen ist.

Nun nutzen wir Emojis aber nicht nur privat in den sozialen Medien, sondern auch in der Arbeit. Viele Kollaborationstools bieten schon jetzt die Möglichkeit, mehr als nur „ein Like“ zu geben. Das dass aber nicht nur ein lustiges Gadget ist und sein sollte, sondern auch instrumentell für die Zusammenarbeit, zeigte jüngst ein Forscherteam aus Genf in der Schweiz. Zugleich liefern sie einen Ansatz, wie die Integration von mehr Emotionen in virtuelle Kollaboration aussehen könnte. In ihrem Experiment bekamen Probanden, die jeweils in Paaren eine Aufgabe lösen sollten, die Möglichkeit, ihre Gefühle und Emotionen in Echtzeit mittzuteilen. Dabei hatten sie die Möglichkeit aus zehn positiven (z.B. Zufriedenheit, Selbstbewusstsein, Heiterkeit) und zehn negativen Emotionen (z.B. Stress, Überraschung, Enttäuschung) auszuwählen. Die Paare arbeiteten dabei ausschließlich virtuell zusammen. Sie konnten sich zwar nicht sehen, allerdings miteinander reden und in einem kollaborativen Umfeld zusammenarbeiten. Die Teilnehmer konnten während der Interaktionen jederzeit die Emotionen des Gegenübers sehen und eigene mitteilen. Zusätzlich zu dieser Möglichkeit wurden sie gebeten, am Anfang vordefinierter Interaktionsphasen und alle fünf Minuten ihre Emotionen zu teilen.
Aus den durchschnittlich 20 Minuten langen Interaktionen der elf Duos ließen sich einige wichtige Erkenntnisse ziehen. Es zeigte sich, dass das „Emotionen teilen“ die kollaborative Zusammenarbeit reguliert. Die Aufmerksamkeit des anderen Gruppenmitglieds konnte durch das Teilen auf bestimmte Probleme gelenkt werden, was adaptive Veränderungen der Zusammenarbeit bewirkte. Dadurch ist die Zusammenarbeit auch deshalb erleichtert, weil das Gruppenmitglied die geteilten Emotionen sonst aus dem Verhalten des Partners ableiten müsste. Statt über die Emotionen des Gegenübers mutmaßen zu müssen, konnte man diese nun klar „sehen“. Diese offene Art der Kommunikation forderte und förderte Anpassungen der gemeinsamen Kollaboration.
Auffällig war dabei, dass die Teilnehmer nur einen kleineren Teil der Emotionen häufig einsetzten: Favoriten der Teilnehmer waren dabei ausschließlich positive Emotionen (z.B. Interesse, Fokus, Zufriedenheit, Entspannung, Freude). Dies könnte zum einen darauf hindeuten, dass vor allem das Teilen positiver Emotionen instrumentell beim gemeinsamen Problemlösen ist, andererseits auch darauf, dass Teilnehmer sich aufgrund der Befürchtung negativer Konsequenzen zurückhalten, negative Emotionen mittzuteilen. Schon frühere Forschung weist darauf hin, dass Nutzer meist mehr positive Emotionen mitteilen als sie tatsächlich haben. Negative Emotionen werden dagegen eher zurückhaltend kommuniziert. Ob diese Unterdrückung negativer Emotionen im kollaborativen Arbeitskontext nachteilhaft ist, bleibt eine noch offene Forschungsfrage.

Was jedoch klar wird: Virtuelle Zusammenarbeit ist mehr als nur das Sammeln und Diskutieren von Wissen und Lösungen. Kollektives Problemlösen ist auch eine emotionale Angelegenheit, und das Thematisieren und Mitteilen dieser Emotionen ist bei der Gruppenarbeit nicht nur ein lästiger Nebeneffekt, sondern sogar essenziell für erfolgreiche Problemlösungen. Insbesondere wenn Zusammenarbeit im virtuellen Raum stattfindet, muss und sollte man zur Emotionsvermittlung auf innovative Möglichkeiten (Emojis, Reaktionen mitteilen) und transparente Kommunikation achten. Hier, so scheint es, ist noch viel Raum für mehr Emotionen. Dazu braucht es sowohl User, die ihre Emotionen bereitwillig teilen, als auch Software, die das Teilen der Emotionen auf sinnvolle Arten und Weisen ermöglicht.
In diesem Sinne gilt sowohl für User als auch Entwickler von Kollaborationstools: „Ran an die Emojis. Raus mit den Emotionen! Auch, und gerade, bei virtueller Zusammenarbeit!“

 

Literatur:
Wisniewski, P., Badillo-Urquiola, K., Ashtorab, Z., & Vitak, J. (2020). Happiness and Fear: Using Emotions as a Lens to Disentangle How Users Felt About the Launch of Facebook Reactions. ACM Transactions on Social Computing, 3(4), 1-25.
Avry, S., Molinari, G., Bétrancourt, M., & Chanel, G. (2020). Sharing Emotions Contributes to Regulating Collaborative Intentions in Group Problem-Solving. Frontiers in psychology, 11, 1160.


09.04.21

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