Saskia Kuliga (DZNE e.V.) betonte in ihrem Impulsvortrag, dass bei der Planung und dem Betrieb von Gebäuden vor allem der Mensch im Zentrum stehe, für den eine gut nutzbare Umwelt geschaffen werden solle. Nutzerzentriertheit bedeute, die Umwelt des Menschen sowohl effizienter, sicherer, effektiver und zugänglicher zu gestalten (also nach Maßstäben der Usability, engl. für Gebrauchstauglichkeit), als auch Spaß bei der Nutzung des Gebäudes zu erzeugen (also im Sinne einer positiven User Experience (UX), engl. für Nutzererlebnis). Als Beispiel stellte Saskia Kuliga die Seattle Central Library vor, die eine Herausforderung für viele Besuchende darstelle. Diese würden sich oft in dem Gebäude verlaufen oder gar Angstzustände bekommen. Laut Saskia Kuliga würden Gebäude aber nur dann funktionieren, wenn sie an den tatsächlichen Bedarfen der NutzerInnen angepasst seien. Schon in der Planung müsse daher das Feedback der NutzerInnen berücksichtigt werden. Nutzerzentrierte Software könne hierfür eine Grundlage schaffen. Mithilfe von Virtual-Reality-(VR)-Simulationen könne beispielsweise der Gebäudeentwurf visualisiert und aus der Perspektive der NutzerInnen direkt bewertet werden.
Digitale Partizipation und UX
Mittels digitaler Tools können BürgerInnen zunehmend Einfluss auf wichtige Entscheidungsprozesse nehmen, wie etwa bei Bauvorhaben. Durch die Verknüpfung digitaler Bürgerbeteiligung mit positiver UX, könne Partizipation dabei besser sichtbar und erlebbar gestaltet werden, so Jonas Fegert (FZI Berlin). Ein wesentlicher Aspekt sei dabei die Nutzerzentriertheit im Beteiligungskontext, so der Referent. Oft seien Initiatoren und Betroffene nicht auf demselben Wissensstand. So können BürgerInnen die Baupläne für ein Projekt meist nicht einsehen, obwohl sie direkt davon betroffen seien. Zu welchen Konflikten dies führen könne, zeigten Projekte wie Stuttgart21. Jonas Fegert stellte als Lösungsansatz das Projekt „Take Part“ vor, bei dem NutzerInnen mithilfe einer App Baupläne direkt „erleben“ können. Zur Darstellung der Entwürfe werde dabei auf VR und Augmented-Reality-(AR)-Technologien zurückgegriffen. Mittels der so entstandenen Visualisierung erhalten NutzerInnen eine realitätsnahe Aufklärung über das Bauvorhaben. Anschließend können sie sich mit anderen Beteiligten über das Bauvorhaben austauschen und Entwürfe entsprechend bewerten. Ergebnisse aus der qualitativen Studie des „Take Part“ Projekts zeigten dabei ein sehr positives Feedback: Die durch AR und VR entstandene Visualisierung der Bauprojekte wirkte sich positiv auf das Engagement der NutzerInnen aus. Wichtig sei es dabei, Beteiligungshürden abzubauen und auch Menschen mit geringer technologischer Kompetenz einen vereinfachten Einstieg zu ermöglichen, so Jonas Fegert.
Virtual Reality basierte Nutzerstudien für den Architekturentwurf
Nutzerzentriertes Entwerfen ist für viele ArchitektInnen eine Herausforderung. Sven Schneider (Bauhaus-Universität Weimar) stellte in seinem Vortrag die VR basierte Gebäudeevaluation als Lösung vor. Das Entwerfen von Gebäudemodellen stelle insofern eine Herausforderung dar, als dass vor dem Bau nur ungenaue Schlüsse auf das reale Nutzerverhalten der Menschen gezogen werden könne. So könne es, wie im Fall der Seattle Central Library, zu Irritationen der Besuchenden bei der Nutzung von Gebäuden kommen. Um dem vorzubeugen, existieren bereits Vorhersagemodelle, die mit dem Konzept der Raumanalyse arbeiten. Diese prognostizieren die Verhaltenspotenziale der NutzerInnen mithilfe der Analyse von Tageslicht, Sichtbarkeit oder Erreichbarkeit in Gebäuden. Sven Schneider schafft mit der VR basierten Gebäudeevaluation (VREVAL) eine noch genauere Prognose über das Nutzerverhalten. Mithilfe von VR könne das Gebäude hier im realen Maßstab erfasst und durch eine Nutzerstudie evaluiert werden. Der Referent stellte dabei verschiedene VREVAL-Module vor. Das Modul „Wegfindung“ lässt etwa Schlüsse darauf ziehen, wo NutzerInnen bestimmte Räume in einem Gebäude erwarten. Mithilfe von Abstimmungstools könne zudem die Raumwirkung bewertet oder über das Aussehen des Gebäudes abgestimmt werden. Da kleinere Bauprojekte oft von kurzer Dauer seien und mit möglichst geringem Aufwand durchgeführt werden sollen, sieht Sven Schneider die Anwendung eher in größeren oder staatlichen Bauprojekten.
Effizienter Betrieb von Gebäuden mit intuitiver Energiemanagement-Software
Im Anschluss stellte Frederic Schick (GreenPocket GmbH) eine nutzerzentrierte Energiemanagement-Software vor, die zu einer nachhaltigen und übersichtlichen Energienutzung im Gebäudebetrieb beitragen kann. Mittels der vorgestellten Softwarelösung können Verbrauchswerte von Bestandsimmobilien erfasst und übersichtlich dargestellt werden. Das intuitive Dashboard sorge zudem für eine einfache und konsistente Nutzung des Tools. Innerhalb der Software können Fehlfunktionen frühzeitig erkannt, Sanierungen besser geplant und priorisiert sowie Nachhaltigkeitsreports ausgestellt werden. Mithilfe von Gamification-Ansätzen lässt die Software NutzerInnen spielerisch den Stromverbrauch raten und kann so ein besseres Gefühl bzw. Engagement für den eigenen Energiebedarf wecken.
Die Online-Veranstaltung zeigte die verschiedenen Möglichkeiten und Anwendungsbereiche nutzerzentrierter Softwares auf und verdeutlichte, welche Chancen dies vor allem im Baugewerbe mit sich bringen kann. Nutzerzentrierte Softwares können zu mehr Partizipation und Engagement in der Bauplanung beitragen, bessere Prognosen über die zukünftige Nutzung liefern und so garantieren, dass das Ergebnis optimal an die Bedürfnisse der NutzerInnen angepasst ist. Dies kann entscheidend zur langfristigen und somit nachhaltigen Nutzung eines Gebäudes beitragen.
15.06.21