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Warum es auch für klein- und mittelständische Unternehmen sinnvoll ist, ein zielgerichtetes Spekulieren über die Gestaltung zukünftiger Produkte und Services anzuregen und zu fördern, erläutert dieser Blogbeitrag zum Thema «Design Fiction». Wir stellen die Methode des Diegetic Prototyping vor und erklären, wie mit Speculative Design ein richtungsweisender Blick in eine fiktive Zukunft geebnet wird.

Design Fiction und Speculative Design

Design Fiction ist eine Designpraxis, die 2005 von Bruce Sterling erwähnt [1] und durch Julian Bleecker's Essay „Design Fiction: A short essay on design, science, fact and fiction” [2] 2009 breiter bekannt wurde. Design Fiction als Teilgebiet des Speculative Design (siehe Beitragsbild) baut auf kreativen, gestalterischen Zukunftsspekulationen auf. Durch die erzählende Konkretisierung imaginärer Alltagsszenarien werden Konsequenzen von Designentwürfen vorausgedacht und einer Diskussion zugänglich gemacht. In Anlehnung zum Filmgenre Science Fiction verfolgt diese Designpraxis das Ziel, innovative Ideen zu entwickeln und so zu veranschaulichen, dass eine umfassende Betrachtung ihrer Implikationen ermöglicht wird. 

In dem Buch „Speculative Everything: Design, Fiction and Social Dreaming“ stellen Fiona Raby und Anthony Dunne  [3] zunächst die Frage, „wie eine zukünftige Welt aussehen kann“ und richten damit den Fokus nicht primär auf das Lösen eines Problems. Die formulierte Frage wird zum Ausgangspunkt der Erzählung einer Geschichte aus der zukünftigen Welt. Design Fiction präsentiert einen Prototyp anhand einer erdachten Geschichte, ohne diesen jedoch in den Mittelpunkt zu stellen. Ziel ist es vielmehr, die Interaktion mit dem Prototyp in die Geschichte einzubauen, um ihn so als selbstverständlichen Gegenstand in der imaginierten Zukunft zu verankern und wesentliche Fragen zu stellen. Hierdurch kann frei über den Einsatz des Prototypen nachgedacht und spekuliert werden, ohne durch Anforderungen und Restriktionen marktreifer und unmittelbar technisch umsetzbarer Produkte zu früh eingeschränkt zu sein. Kreative Prozesse können auf diese Weise angeregt und Innovationen der Weg bereitet werden.

Diegetic Prototyp

Im Kontext der Design Fiction wird häufig auf sogenannte Diegetic Prototypes zurückgegriffen. Diegetic ist aus dem Griechischen abgeleitet und steht für eine erzählende Vermittlung oder Darstellung — wir sprechen also von einem Prototyp, der in einer erzählten Welt platziert wird und so einen Sinnzusammenhang herstellt. Diegetic Prototypes berücksichtigen die Umwelt, Nutzende, die Interaktion mit dem Prototyp etc. um diese in der erzählten Welt in einen Zusammenhang treten zu lassen. Der umfassende kontextuelle Einbezug ist notwendig, damit Zuschauende den prospektiven Prototypen in der erzählten Welt akzeptieren, ihn als realistisch erachten und so die Vorstellung entstehen kann, diesen auch nutzen zu können bzw. zu wollen. Hierzu kann es nötig sein, auch „Fehler“ in die Darstellung der Interaktion einzubauen, damit der Prototyp realistischer erscheinen kann.

Möglichkeiten der Umsetzung 

Diegetic Prototypes können nicht allein in verbalen Erzählungen, sondern beispielsweise auch durch die Methode des Video-Prototyping umgesetzt werden: die erdachte Design Fiction erfährt hierdurch eine konkretisierende Visualisierung. 

Potenziale für KMUs

Auch wenn Design Fiction nicht das unmittelbare Ziel verfolgt, ein Problem technisch zu adressieren oder direkt ein marktreifes Produkt zu entwickeln, ist es die Auseinandersetzung mit dieser Designmethode lohnend. Durch Design Fiction kann früh im Entwicklungsprozess mit Stakeholdern eine Produkt- oder Service-Vision entwickelt, kommunizierbar gemacht und auch evaluiert werden. 

Design Fiction ermöglicht durch die notwendige intensive Auseinandersetzung mit dem Nutzungskontext, möglichen Nutzungsszenarien und Akteuren aus der Zielgruppe des diegetischen Prototypen ein ganzheitliches und vertieftes Verständnis von Bedürfnissen und Anforderungen und schafft so eine belastbare Grundlage für die Entwicklung zukünftiger Produkte- und/oder Services.

Design Fiction gewährt Freiheiten zur erzählerischen Erkundung zukünftiger Produkte, eröffnet neue Perspektiven und erlaubt es, eingefahrene Verhaltensmuster und Denkprozesse aufzubrechen. Die Konkretheit der Einbettung in eine übergreifende Geschichte fördert und stärkt die Diskussionskultur in Entwicklungsteams und hilft, Innovationsprozesse zu beschleunigen. 

Design Fiction = Innovation? 

Methoden wie Design Fiction sind keine Garantie für die Entwicklung innovativer Produkte oder Services. Unsere Erfahrungen mit dem Einsatz von Design Fiction in einer Vielzahl disziplinübergreifender Ideation-Workshops zeigen jedoch, dass Teilnehmende den gedanklichen Sprung in die Zukunft als anregende und befreiende Öffnung wahrnehmen, die eine empathische Beschäftigung mit den Bedürfnissen von Nutzenden gestattet und bedeutsame Fragen offenlegt. Eine angemessene Moderation zur Aktivierung der Teilnehmenden vorausgesetzt sind dann nicht nur die Ergebnisse von Design Fiction-Workshops bemerkenswert — sondern auch die offensichtliche Freude an der kreativen Lösungsentwicklung.

Warum Spekulationen über die Zukunft getätigt werden sollten und welche Potenziale die Design Fiction für klein- und mittelständische Unternehmen bietet, haben wir in diesem Beitrag vorgestellt. Wenn Sie Fragen zu dieser oder weiteren Methoden und ihrer Potenziale für klein- und mittelständische Unternehmen haben oder Sie Unterstützung bei der Umsetzung eines Ihrer Projekte benötigen, treten Sie gerne mit uns in Kontakt. 

 

[1] 

B. Sterling , „Shaping Things,“ The MIT Press, 2005. [Online]. Available: wtf.tw/ref/sterling_shaping_things.pdf. [Zugriff am 24 März 2022].

[2] 

J. Bleecker, „Design Fiction: A short essay on design, science, fact and fiction,“ Near Future Laboratory, 2009. [Online]. Available: blog.nearfuturelaboratory.com/2009/03/17/design-fiction-a-short-essay-on-design-science-fact-and-fiction/. ;[Zugriff am 24 März 2022].

[3] 

F. Raby und A. Dunne, „Speculative Everything: Design, Fiction and Social Dreaming,“ The MIT Press, 2013. [Online]. Available: readings.design/PDF/speculative-everything.pdf. [Zugriff am 24 März 2022].

 


20.05.22

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