Houston hatte ein Problem…
…nämlich mehr Personal und eine Durchschnittswartezeit bei der Gepäckausgabe, die im Vergleich völlig im Rahmen war – dennoch brach der Strom der Beschwerden über zu lange Wartezeiten am Flughafen Houston nicht ab. Eine genauere Analyse ergab, dass die Gäste des Airports nur eine Minute zur Gepäckausgabe liefen, dort dann sieben Minuten warteten. Mit anderen Worten: Die Fluggäste verbrachten 88 Prozent ihrer Zeit mit Warten, während sie wesentlich weniger Zeit mit Aktivität füllten. Die Lösung des Problems war jedoch nicht etwa eine weitere Reduktion der Wartezeit – es war eine Verlängerung der Strecke, die Personen vom Gate zur Gepäckausgabe zurücklegen mussten. Der Flughafen lagerte die Ankunftsflugssteige dezentral aus und die Gäste mussten nun weitaus länger zu ihrem Gepäck laufen. Im Gegenzug sank jedoch die Wartezeit auf das Gepäck, während sich die Gesamtzeit zwischen Ankunft und Gepäckausgabe nicht veränderte. Das Ergebnis: Die Zufriedenheit der Flughafengäste stieg bzw. die Beschwerden über die Wartezeit sanken auf nahezu Null.
Diese Anekdote sagt viel über den User aus: Oft ist es nicht die eigentliche Zeit, die uns unerträglich erscheint, wenn wir warten müssen. Es ist die wahrgenommene Wartezeit.
Aktive statt passive Wartezeit für glückliche User
Die Lösung des Problems ist häufig, Wartezeiten aktiv zu gestalten. Eine Möglichkeit ist es, Wartezeit in den Hintergrund zu verlegen und weitere Handlungen zu ermöglichen. So werden zum Beispiel Anhänge und Bilder in Emailprogrammen meist weiter hochgeladen, während Nutzerinnen und Nutzer weiter Texte verfassen können. Weitere Beispiel für das Verringern einer passiven Wartezeit liefert Facebook: Beim Erstellen eines Albums können während des Uploads Handlungen vorgenommen werden, beispielsweise kann der Nutzer in der Zwischenzeit Name und Beschreibung des Fotoalbums bearbeiten. Und wo früher beim Laden eines Beitrags nur ein Ladescreen gezeigt wurde, wird heute direkt das Bild angezeigt, wenngleich bis zum vollständigen Laden eine geringere Auflösung angezeigt wird und Features wie Kommentare oft erst nach Anzeige des Fotos geladen werden.
Faustregeln für gut gestaltete Wartezeiten
Ist eine aktive Wartezeit nicht umsetzbar, so helfen folgende Regeln, um die passive Wartezeit angenehmer zu gestalten.
- Wartezeiten nicht ungeklärt lassen: Ein Wartesymbol auf einem leeren Screen? Das sollte unbedingt vermieden werden. “Upload in Arbeit”, “Dokument wird geladen” – geben Sie wenn möglich immer Informationen, was gerade passiert. Ihre User werden es Ihnen danken.
- Wartezeiten nicht ungewiss lassen: Geben Sie, wenn möglich, immer Informationen über den Fortschritt eines Prozesses an und lassen Sie die Nutzerinnen und Nutzer wissen, wie lange sie noch warten müssen. Das gibt ihnen die Möglichkeit, sich auf die Wartezeit einzustellen und den Fortschritt wahrzunehmen.
- Wartezeiten mit Beschäftigung versüßen: Egal ob es eine einfache Animation ist oder ein kleines Spiel, wie beispielsweise Snake beim Warten auf das Youtube-Video – wenn Nutzerinnen und Nutzer aktiv etwas tun oder passiv etwas anschauen können, vergeht das Warten wie im Flug.
- Wartezeiten nicht mit Angst verstärken: Die Information, dass es nur noch einen Artikel gibt, mag zum schnellen Kauf führen – wird das Warten auf das Laden der Kaufbestätigung aber verschlimmern. Solche Informationen sollten Sie bei einem Loadingscreen daher besser nicht anzeigen, wenn der User keine Möglichkeit hat, darauf zu reagieren.
Fazit
Warten gehört zu unserem Alltag, verursacht jedoch häufig unangenehme Gefühle wie Stress oder Langeweile. Wenn wir Wartezeit nicht mehr als solche wahrnehmen, sind wir sehr viel glücklicher. Bieten Sie Nutzerinnen und Nutzern daher die Möglichkeit, aktiv zu sein und sich zu beschäftigen oder liefern Sie zumindest relevante Information über Gründe und Ausmaß der Wartezeit. Dann werden Sie mit glücklicheren Usern belohnt.
08.05.20