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Das zweite Interview in der Reihe „Die weibliche Seite der Digitalisierung“ führten wir mit Kathrin Biber und Marta del Pozo Lagneaux. Sie arbeiten im UX-Team der ELO Digital Office GmbH, einem Unternehmen aus Stuttgart, welches Software für die Digitalisierung von Unternehmensprozessen entwickelt. Wir lernten, dass individuelle Unterschiede größer sind als statistisch gemittelte Geschlechtsunterschiede und dass Offenheit und Lernbereitschaft wichtig sind, um interdisziplinär zu kommunizieren.

Ich führe das Interview mit Kathrin Biber und Marta del Pozo Lagneaux. Mit Kathrin haben wir schon in dem Projekt Design4Xperience zusammengearbeitet. Die ELO Digital Office GmbH war in diesem Projekt assoziierte Partnerin. Wir haben Kathrin und Marta für das Interview angefragt, da sie als UX-Beraterinnen in einem mittelständischen Unternehmen arbeiten und wir einen Einblick in ihre Arbeitswelt bekommen wollten.

Magdalena Laib: Beschreibt doch bitte erst mal eure derzeitige Tätigkeit.

Kathrin Biber: Im UX-Team von ELO sorgen wir dafür, dass die ELO Software möglichst einfach und intuitiv zu bedienen ist und sich an den Bedürfnissen unserer Benutzerinnen und Benutzer orientiert. Ich bin die Ansprechpartnerin für Research, also Umfragen, Interviews, Usability-Tests und Feldbeobachtungen. Darüber hinaus bin ich für die Weiterentwicklung der ELO ECM Suite zuständig, unserem Hauptprodukt. Ich arbeite direkt mit den Entwicklern und dem Produktmanagement zusammen – sowohl um bestehende Oberflächen und Bedienabläufe zu vereinfachen, als auch um neue Anforderungen zu bewerten. Wir arbeiten viel abteilungsübergreifend, gerade wenn es um Vereinheitlichung, Verbesserungen und kreative Ideen geht.

Marta del Pozo Lagneaux: Ich arbeite ebenfalls in der ELO UX-Abteilung und war bisher als Interface Designerin für die Benutzeroberflächen zuständig. Immer mehr beschäftige ich mich aber mit Design Thinking und Workshops. Derzeit halten wir diese remote ab – was wirklich spannend ist, denn Wissensvermittlung und Gruppenarbeit in der virtuellen Welt folgen einfach neuen Regeln.

Magdalena: Ihr seid beide im selben Team, wie viele Frauen und Männer gehören zu eurem UX-Team? 

Marta: Im Moment sind wir zu sechst. Zwei Männer und vier Frauen. Geführt wird das Team von einem der beiden Männer.

Magdalena: Gibt es denn etwas, was ihr in eurer Arbeit anders macht als eure männlichen Kollegen?

Marta: Ich denke, Männer neigen eher dazu, Dinge zu bestimmen, Frauen hingegen müssen von ihren Themen oft überzeugen. Wenn du als Frau zu dominant auftrittst, kommt das nicht gut an. Allerdings habe ich auch das Gefühl, dass Männer eher technikaffin sind und Frauen sich im Gegenzug gerne mit Menschen und Beziehungen beschäftigen. Daher weiß ich nicht, ob das unterschiedliche Auftreten am Geschlecht liegt oder am Ende nicht doch einfach nur an den verschiedenen Interessen. Es könnte im Grunde genommen ja auch anders herum sein!

Kathrin: Technisch affin sind wir ja prinzipiell auch, sonst würden wir nicht hier arbeiten. Unsere männlichen Kollegen haben aufgrund ihrer Ausbildung einen tieferen technischen Background und können deshalb mit den Entwicklern auf einer anderen Ebene kommunizieren. Aber da wir schon lange in diesem Bereich arbeiten, lernen wir deren „Sprache“ natürlich auch. Wir arbeiten hier auch immer über längere Zeit hinweg mit bestimmten Leuten zusammen, da lernt man, sich mit der Zeit besser aufeinander einzustellen und untereinander wertzuschätzen. Es geht schließlich darum, dass wir andere Aspekte reinbringen und dafür sind die Entwickler letztendlich auch dankbar. Ich glaube, für unsere Tätigkeit macht es eigentlich keinen Unterschied ob Männlein oder Weiblein.

Magdalena: Interessant ist aber die Beobachtung, dass Geschlecht und Background dann oft miteinander verbunden sind. Habt ihr denn in eurer Position grundsätzlich das Gefühl, dass ihr euch behaupten müsst? Und wenn ja, liegt das an eurem Tätigkeitsfeld oder an eurem Geschlecht?

Kathrin: Wir haben hier eine beratende Tätigkeit, also klar muss man überzeugen. Sich als Frau behaupten zu müssen ist eher ein Faktor, wenn man in einen Bereich kommt, in dem es bisher noch keine Frau gab. Das war bei mir nicht der Fall. Ich war dafür die erste Person mit einem Psychologiestudium, die ins Unternehmen kam. Das war für die Leute in der Entwicklung eher ein bisschen überraschend, weil sie das noch nicht kannten. Da ich aber davor auch schon in einem technischen Bereich gearbeitet habe, konnte ich dann schnell unter Beweis stellen, dass ich hier zurechtkomme und auch Vieles beitragen kann.

Magdalena: Geht es euch dann eher so, dass ihr unabhängig davon, welches Geschlecht ihr habt, andere einfach vom Thema UX überzeugen müsst?

Kathrin: UX ist bei ELO jetzt schon so lange fester Bestandteil, dass man davon eigentlich niemanden mehr überzeugen muss.

Magdalena: Sehr schön! Das ist ja nicht immer so. Habt ihr denn das Gefühl, dass ihr speziell als Frau auf dem Gebiet User Experience besondere Stärken habt, die ihr einbringen könnt?

Marta: Ich glaube nicht, dass wir im Bereich User Experience gelandet sind, weil wir Frauen sind, sondern weil wir Interesse an den Menschen haben, die mit unserer Software arbeiten und weil wir Empathie für die Leute aufbringen können, die diese Software entwickeln. Aber es kommt wohl öfter vor, dass Frauen an solchen Themen interessiert sind, das sieht man ja auch an unserem UX-Team, indem wir Frauen die Mehrheit bilden – Entwicklerinnen haben wir derzeit nur eine.

Kathrin: Das ist ja oft nur das Stereotyp, dass Frauen grundsätzlich andere Eigenschaften hätten als Männer. Aber eigentlich sind die individuellen Unterschiede viel größer als die statistisch gemittelten Geschlechtsunterschiede. Das merkt man auch schon bei uns im Team, wir haben da ganz unterschiedliche Persönlichkeiten. Also ich würde nicht sagen, dass es typisch weibliche Eigenschaften gibt, die da eine Rolle spielen würden.

Magdalena: Hättet ihr denn gerne grundsätzlich mehr Verantwortung in eurer Tätigkeit?

Marta: Eher mehr Überblick und Unabhängigkeit von Hierarchien und Entscheidungsträgern als Verantwortung.

Kathrin: Im Laufe der Zeit habe ich sowieso immer mehr Bereiche übernommen und das wird sich in Zukunft auch weiterentwickeln.

Magdalena: Erzählt doch noch ein wenig darüber, wie ihr euch ausgebildet habt und ergänzend dazu, ob ihr euch mehr Unterstützung gewünscht hättet?

Marta: Ich bin in Spanien aufgewachsen und dort fing ich auch an, Architektur zu studieren. Ich bin mit 20 Jahren nach Deutschland gekommen und habe das Architekturstudium hier in Stuttgart beendet. Das war ein tolles Studium, ich bin ein Generalist und mich interessieren ganz viele Bereiche. Mein Diplom habe ich dann 1998 zum Thema Usability der Architektur gemacht, da ging es um die Wirkung des gebauten Raums auf das soziale Verhalten der Nutzer. Das war ein ganz seltenes Thema in der Architektur. Als ich dann ein Kind bekommen habe und alleinerziehende Mutter war, ging es weiter mit einer Weiterbildung im Bereich Multimedia. Mein Folgejob war in einer Firma, die Multimedia-Anwendungen für Museen gemacht hat. Hier habe ich alle möglichen Sachen an Gestaltung gemacht, auch Benutzeroberflächen. Bei ELO war dann eine Stelle als Interface Designer für die Icon-Gestaltung frei – die Bewerbung war erfolgreich, wie man sieht, und 2010 ging es dann los.

Kathrin: Ich hab mich nach dem Abi für Psychologie entschieden, da ich das Studium des Menschen in seiner Vielfalt von Biologie über Physik bis zur Statistik sehr spannend und herausfordernd fand. Ausschlaggebend für den Bereich Usability war ein Praxisvortrag zum Thema Mensch-Maschine-Schnittstelle im Rahmen meines Psychologiestudiums. Das hat mich gleich interessiert und ich hatte dann auch die Möglichkeit, bei der Psychologin, die den Vortrag gehalten hat, ein Praktikum zu machen. Für die Berufswahl finde ich das unglaublich wichtig – also, dass man Vorbilder hat, mit denen man sich identifizieren kann. Grundsätzlich bin ich auch der Ansicht, dass so etwas wie Mentoring oder Coaching sehr sinnvoll ist, gerade für Frauen, aber auch für Männer, um aus den durch die Gesellschaft festgelegten Rollen herauszukommen. Bei ELO gibt es ein Patensystem für neue Mitarbeiter, das ist ebenfalls eine gute Sache. Bei mir war Marta die Patin und diesen Austausch haben wir über die Jahre beibehalten.

Magdalena: Vielen Dank euch beiden für diesen spannenden Einblick in eure Arbeitswelt!

 

Dieser Artikel ist Teil einer Artikelserie:

Hier geht es zum ersten Artikel der Serie: Die weibliche Seite der Digitalisierung - Warum wir uns damit beschäftigen möchten

Hier geht es zum zweiten Artikel der Serie: Frauen in der UUX-Branche: Wie viele sind wir eigentlich?

Hier geht es zum dritten Artikel der Serie: Worin besteht Ihr Vorteil als weibliche Führungskraft, Frau Fronemann?

Den vierten Artikel finden Sie hier: Digitalisieren Frauen anders?


25.08.20

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