Mit der Artikelserie „Die weibliche Seite der Digitalisierung“ haben wir uns auf eine Lernreise begeben und wollten mehr über die Präsenz von Frauen und deren Rolle in unserem fachlichen Alltag und der UUX-Branche allgemein erfahren. Die Idee zur Artikelserie entstand durch die Rückmeldung zu unserer Fachtagung Mission UUX, bei der die Präsenz von Frauen vermisst wurde. Durch die Teilnahme an der Veranstaltung sollte man zum UUX-Hero werden. Wir fragen uns nun, was wissen wir schon darüber, wie man eine UUX-Heroine werden kann:
Bei unseren Recherchen und Befragungen stellten wir schon früh fest, dass wir diese Reise eigentlich mit einem konkreten Ziel begonnen hatten: Wir wollten die Rolle der Frau stärken und suchten nach schlagkräftigen Argumenten dafür. Die Suche nach möglichst aussagekräftigen Attributen für Frauen, die bestenfalls ihre Stärken beschreiben und ihre Relevanz für die Branche aufzeigen, führte dazu, dass wir in unseren Köpfen ein recht stereotypes und eingeschränktes Frauenbild aufgebaut hatten. Wir liefen hierdurch Gefahr, eine Schublade aufzumachen, in die möglichst alle Frauen gesteckt werden können. Die Interviews, die wir führten und das Material, mit dem wir uns beschäftigten, lehrten uns jedoch das Gegenteil: Um alle zu integrieren, um allen faire Chancen zu bieten und damit von allen zu profitieren, benötigen wir keine Schubladen sondern möglichst offene Türen und ein weites und freies Mindset. Nichtsdestotrotz wird Frauen derzeit nicht mit einem solchen Mindset begegnet weshalb unser Plädoyer für Toleranz, Vielfalt und Chancengleichheit doch dazu führen soll, Frauen in unserer Branche zu stärken und ihnen bessere Möglichkeiten zu bieten.
Ein Blick auf die Zahlen verdeutlichte, dass Frauen in der UUX-Branche gut starten: Der Branchenreport des Berufsverbands der Usability und User Experience Professionals (GermanUPA) zeigte, dass 2019 45% der in der Branche beschäftigten Frauen waren. Die Zahlen zeigten jedoch auch, dass sich das Verhältnis bei steigender Verantwortung zugunsten der Männer ändert. Wir fragen uns, was können die unterschiedlichen Stakeholder dazu beitragen, hier ein größeres Gleichgewicht herzustellen. Wir warfen nochmal einen Blick auf die Beiträge in unserer Artikelserie und versuchten uns an einer Übersicht:
Beschäftigte selbst:
- Nach dem Motto „Gemeinsam sind wir stark“ können Frauen sich vernetzen und austauschen. Mögliche Netzwerke finden sich hier.
- Kathrin Biber von der ELO Digital Office GmbH wies in unserem Interview darauf hin, dass es sinnvoll ist, sich an Vorbildern zu orientieren und sich Mentorinnen zu suchen. Die Relevanz solcher Programm bestätigte auch Nora Fronemann, Führungskraft am Fraunhofer IAO.
- Nora Fronemann betonte ebenfalls den wichtigen Aspekt des Selbstmarketings, den vor allem Frauen vernachlässigen. Frauen sollten ihre Ergebnisse und Erfolge also stolz nach außen präsentieren.
- Frauen sollten selbst nicht in die Falle tappen, die wir oben beschrieben haben. Klischees müssen nicht erfüllt werden. Frauen sollten sich so präsentieren und arbeiten, wie sie sind und nicht versuchen, gängigen Vorstellungen zu entsprechen.
Ausbildungsinstitute:
- Unsere Recherche zeigte, dass bereits viele Frauen in digitalisierungsaffinen Studiengängen vertreten sind und auch eine Vielzahl an Studien- und Ausbildungswegen der Arbeit in der UX-Branche zugrunde liegen. Diese Möglichkeiten weiter zu fördern und sie in der Außendarstellung und -wahrnehmung deutlicher aufzuzeigen, kann Aufgabe der Hochschulen sein.
Vorgesetzte:
- Wie Nora Fronemann es beschreibt, sollten Mitarbeiterinnen ganzheitlich wahrgenommen und entsprechend ihrer beruflichen und privaten Situation eingebunden und unterstützt werden.
- Um Frauen in ihrem Selbstmarketing zu helfen, sollten Vorgesetzte gerade ihre weiblichen Mitarbeiterinnen dabei ermutigen, nach vorne zu treten und sich zu präsentieren.
Unternehmen:
- Auf die Frage, warum es so wenige weibliche Führungskräfte gibt, weist Nora Fronemann auf die noch immer schwierige Situation der Vereinbarkeit von Familien und Beruf hin. Hier sollten Unternehmen mutig sein und neue Konzepte wie Doppelspitzen eine Chance geben. Dies kann auch Männern zu Gute kommen, die ebenfalls Carearbeit übernehmen oder sich anderen Projekten widmen möchten.
- Wie wir gesehen haben, sind die Ausbildungswege, die in die UX-Branche führen, sehr divers. Entsprechende Qualifizierungsprogramme sollten sich daher breiter aufstellen und weg von der Fokussierung auf MINT-Fächer gehen. Diese Erfahrung teilt auch Nora Fronemann vom Fraunhofer IAO.
- Grundsätzlich sollten Unternehmen (auch im eigenen Sinne) bei Einstellungen und Einladungen auf größtmögliche Diversität achten. Anstehende Entscheidungen sollten unter Einbeziehung von Frauen getroffen werden. Die Beteiligung in Gremien sichert, dass auch weibliche Perspektiven in die Planung der zukünftigen Strategien einbezogen werden.
- Indem Unternehmen die Anforderungen ihrer Tätigkeiten möglichst ganzheitlich beschreiben, kann es auch gelingen, eine große Bandbreite an Menschen anzusprechen. Unsere Recherche zeigte beispielsweise, dass Frauen gerne in der Human Computer Interaction-Branche arbeiten, weil sie hier unter anderem kreativ sein und einer sinnerfüllten Arbeit nachgehen können.
Politik/Gesellschaft:
- Die Recherche zu Digitalisierungskenntnissen von Frauen zeigte unter anderem, dass sie sich auf dem Gebiet der Digitalisierung als unwissender einschätzen und auch objektiv weniger Zugang zu digitalen Geräten erhalten. Zukünftig sollte hier also gegengesteuert werden um Frauen mit der entsprechenden Expertise auszustatten.
In diesem Artikel hatten wir vor, ein Zwischenfazit zu ziehen. Wir wollten aufzeigen, wie weibliche Vertreterinnen der UUX-Branche ihre Potenziale nutzen können und welche Bedingungen sie hierfür auffinden sollten. Wir wollten aufzeigen, was es braucht um zur UX-Heroine zu werden. Die Liste ist natürlich nicht erschöpfend, kann jedoch der Beginn einer Art Handreichung sein, die wir gerne weiterführen möchten und zu deren Erweiterung wir einladen. Rückblickend lassen sich unsere Erkenntnisse so zusammenfassen: Wenn wir anfangen, den Blick mehr auf den Menschen zu lenken und weniger auf die Zuordnung zu bestimmten Gruppen, dann sehen wir eine große Chance, das Potential jedes Individuums identifizieren und ausschöpfen zu können. Um jedoch zu gleichen Bedingungen zu gelangen, muss die bisher vernachlässigte Gruppe aktiv unterstützt und stärker fokussiert werden.
Um dies zu üben, haben wir uns für die Verwendung des generischen Femininums entschieden. Dieser Perspektivwechsel ist uns selbst nicht leichtgefallen, hat uns aber auch gezeigt, wie schnell wir uns damit abfinden, eine Gruppe auszuschließen. Wir möchten Sie mit dieser kleinen Übung daher einladen, sich ebenfalls mal auf diesen Perspektivwechsel einzulassen:
Sprechen oder/und schreiben Sie eine Woche lang nur im generischen Femininum. Das heißt, dass Sie beispielsweise statt der männlichen Form „Mitarbeiter“ „Mitarbeiterinnen“ sagen oder schreiben. Alternativ: Korrigieren Sie von Ihnen produzierte Texte (Beiträge, Mails, Protokolle) beispielhaft in das generische Femininum.
Reflexion:
- Wie schwer oder leicht fällt es Ihnen?
- Wie fühlt es sich an?
- Wie viele Korrekturen waren notwendig?
Wir im Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Usability haben uns vorgenommen, dass wir in unserer Arbeit weiterhin sichtbar machen möchten, welche Vielfalt in unserem Team steckt, welchen Beitrag jede Einzelne leistet und wer Verantwortung übernimmt. Betrachten wir dies als ein Zwischenfazit. Die Artikelserie hat neue Ideen entfacht, so dass wir sie kontinuierlich weiterführen werden. Seien Sie mit uns gespannt, wie die Reise weitergeht.
28.09.20