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Das Praxisprojekt umfasste die Anleitung und gemeinsame Durchführung einer Fokusgruppe als Basis für die weitere menschzentrierte Entwicklung einer innovativen digitalen Anwendung zur Energiewendeberatung. Neben dem Vorgehen und den eingesetzten Methoden werden im Rahmen des Beitrages Erkenntnisse zum Methodentransfer sowie erste Ideen für und Anforderungen an die digitale Anwendung vorgestellt.

Zielstellung

Das Praxisprojekt steht im Kontext der erweiterten Perspektive auf die menschzentrierte Gestaltung und Innovation – das von Don Norman 2023 vorgestellte „Humanity Centred Design“, bei dem es darum geht, nicht nur die Bedarfe der heutigen Menschen mitzudenken, sondern auch den Kontext und die Folgen für zukünftige Generationen.

In diesem Zusammenhang ist die Energiewende ein zentraler Baustein für eine nachhaltige Zukunft und stellt Bürgerinnen und Bürger vor neue Herausforderungen. Im Rahmen des Praxisprojektes »Digitale Energiewendeberatung« sollte daher partizipativ mit Nutzerinnen und Nutzern erarbeitet werden, welche Anforderungen sie an die Gestaltung einer digitalen Anwendung haben, wie die Bürgerinnen und Bürger beim Umgang mit der Energiewende unterstützt und zu einem nachhaltigeren Leben angeleitet werden können. Die zu entwickelnde Anwendung sollte in der Lage sein, echte Fragen zu beantworten, Mythen zu entkräften - dabei intuitiv bedienbar sein und einen Mehrwert im Alltag schaffen.

Für die Entwicklung einer innovativen digitalen Energiewendeberatung ergaben sich im Rahmen des Praxisprojektes unter anderem folgende Fragestellungen:

  • Welche Fragen haben Bürgerinnen und Bürger an eine (digitale) Energiewendeberatung?
  • Was motiviert sie, eine digitale Anwendung zur Unterstützung der Energiewende zu nutzen?
  • Wie stellen sie sich eine ideale digitale Energiewendeberatung vor? Bevorzugen sie Chatbots, eine Webseite oder spielerische Elemente?
  • Welche Anforderungen an die Gestaltung dieser Anwendung haben sie?
  • Welche Rolle kann Künstliche Intelligenz bei der Umsetzung und Beratung spielen?

 

Vorgehen und Methoden

Um die genannten Fragestellungen zu beantworten, wurde gemeinsam mit Herrn Koegel eine Fokusgruppe (LINK Werkzeugkasten) als Methode ausgewählt sowie konzipiert, geplant und durchgeführt. Die neun Teilnehmenden der Fokusgruppe wurden so ausgewählt, dass sie möglichst viele Unterschiede in Bezug auf Alter, Wissen zur Energiewende und persönliche Lebensumstände aufwiesen, um eine große Bandbreite der Bevölkerung abzudecken.

Nach einer Aufwärmübung (Link WARM UP Set), sowie einem gegenseitigen Kennenlernen, war die Fokusgruppe in drei Themenblöcke unterteilt:

  1. Assoziationen/Fragestellungen der Teilnehmenden: In einem strukturierten Prozess wurden zunächst auf Post-its die Schlagworte und individuellen Fragen der Teilnehmenden bezüglich der Energiewende erfasst und thematisch zugeordnet.
  2. Personas zur Ermittlung von Motivation und Fokusfragestellungen bestimmter Zielgruppen: Daraufhin wurden drei Personas diskutiert, die exemplarisch für den Termin gemeinsam mit Herrn Koegel entwickelt wurden. Ziel war es, zu erkennen, welche Eigenschaften der Personas möglicherweise Auslöser für ähnliche Nutzungsmotivationen und Fokusfragestellungen sein könnten. Wir haben zunächst z.B. die Wohnsituationen (Einfamilienhaus, Eigentumswohnung, in Miete), Lebenssituationen (verheiratet mit Kindern, Single) und technische Affinität (hoch, mittel, niedrig) unterschieden. Die Teilnehmenden wurden gebeten, sich den Personas zuzuordnen, Anpassungsvorschläge zu machen oder neue Profile zu ergänzen.
  3. Interaktive Lösungsansätze entwickeln, bewerten und ausdetaillieren: Im abschließenden Themenblock teilten die Teilnehmenden zuerst unvoreingenommen ihre Ideen zu möglichen Lösungsansätzen einer idealen Energiewendeberatung (Brainstorming) und bewerteten und detaillierten anschließend in Gruppenarbeit verschiedene von uns vorbereitete Lösungsansätze wie „statische und interaktive Webseite“, „Chatbot“, „Lernspiel“ und „persönliche Beratung“. Für jede dieser Lösungen gab es Fragestellungen, beispielsweise zu den Erfahrungen mit einer bestimmten Lösung, welche Inhalte sich für eine Lösung besonders eignen und wie die Lösungen gestaltet sein sollten.

 

Ergebnisse

  1. Erkenntnisse zu den Assoziationen / Fragestellungen: Bei der Sammlung von allgemeinen Schlagworten und spezifischen Fragestellungen zur Energiewende traten neben den erwarteten Themen wie „erneuerbare Energien“, „individuelle Maßnahmen“ oder „Prozesse, Anträge und Förderungen“ auch unerwartete Aspekte zutage, etwa Fragen zum öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) oder zu Elektroautos.
  2. Erkenntnisse zur Motivation und Fokusfragestellungen bestimmter Zielgruppen: Die Motivation der Teilnehmenden für eine Beratung zur Energiewende war nicht nur durch den Wunsch geprägt, „etwas Gutes für die Umwelt zu tun“ und „Geld zu sparen“, sondern auch stark von den Entscheidungen beeinflusst, die in ihren jeweiligen Lebenssituationen in den Bereichen Mobilität, Wohnen und mögliche Sanierungen anstehen. Generell zeigte sich ein Interesse an leicht umsetzbaren Energiesparmaßnahmen, die unabhängig von der Wohnsituation realisierbar sind.

Zu den in den entwickelten Personas abgebildeten Wohnsituationen „eigenes Haus“, „eigene Wohnung“ und „Miete“ kamen die Szenarien „Leben in einer Wohngemeinschaft (WG)“ und „bei den Eltern wohnen“ hinzu. Diese neuen Szenarien führten in der Diskussion zu neuen Motivationen und Fragestellungen, die bei der Konzeption der Lösungsansätze berücksichtigt werden sollten.

  1. Erkenntnisse zu den interaktiven Lösungsansätzen: Bei der Diskussion der konkreten Lösungsansätze in Gruppenarbeit wurden folgende Erfahrungen ausgetauscht und Umsetzungsideen entwickelt:
  • Statische / interaktive Webseite: Als essenzielle Funktionen der Webseite wurden Filteroptionen, geführte Wegweiser und häufig gestellte Fragen (FAQs) hervorgehoben. Regionale Veranstaltungshinweise könnten ebenfalls sehr nützlich sein, allerdings wäre der Aufwand zur Sicherstellung der Aktualität beträchtlich. Themenbezogene Newsletter wurden ebenfalls als sinnvoll erachtet.
  • Chatbot: Inhalte sollten redaktionell sorgfältig ausgewählt und überprüft sein. Es gab Bedenken, ob ein Chatbot diesen Anforderungen gerecht werden könnte. Die Sprache des Chatbots sollte einfach, informell und dennoch höflich sein. Vorschläge für Fragen sollten proaktiv angeboten werden.
  • Lernspiel: Es wurden Lösungsansätze diskutiert, die Plattformen wie Kahoot oder Duolingo ähneln. Wichtig wäre es, kurze Spielrunden oder Level von maximal 10 Minuten Dauer zu gestalten, um die Motivation aufrechtzuerhalten. Ein einzelnes Spiel, das für alle Personas geeignet ist, scheint nicht realisierbar. Die Entwicklung solcher Spiele wäre allerdings mit hohen Kosten verbunden.
  • Persönliche Beratung: Es wurde der Wunsch nach einer unabhängigen Beratung geäußert, die technologie- und nutzeroffen ist und nicht primär kommerziellen Interessen folgt, wie es bei einem Heizungsbauunternehmen der Fall sein könnte.
  1. Erkenntnisse zu den ausgewählten Methoden: Die Fokusgruppe mit Teilnehmenden aus möglichst unterschiedlichen soziodemographischen Hintergründen hat vielversprechende Erkenntnisse geliefert. Auch die Personas und die vorbereiteten Lösungsansätze haben wichtige Impulse für die Diskussionen geliefert. Um die Relevanz der identifizierten Fragstellungen zu überprüfen, wäre die Durchführung eines weiteren Workshops mit einer noch größeren Anzahl an Teilnehmenden ratsam. Hierbei könnten Methoden wie Cardsorting hilfreich sein.
  2. Weitere Erkenntnisse: In der Nachbereitung der Fokusgruppe ließen sich sowohl potenzielle Quick Wins als auch anspruchsvollere, jedoch vielversprechende Lösungsansätze identifizieren. Darüber hinaus wurden die gesammelten Fragestellungen aktuellen Chatbots wie Bing Copilot, ChatGPT oder Perplexity vorgelegt, um die Qualität ihrer Antworten zu bewerten. Dabei stellte sich heraus, dass diese Lösungen für viele der gestellten Fragen passende Antworten aus qualitativ hochwertigen Quellen bereitstellten.

 

Praxisprojektpartner

Michael Kögel ist freiberuflicher Berater für menschzentrierte digitale Transformation. Mit Design Thinking, User Experience, systemischer Organisationsentwicklung und agilen Methoden baut er für seine Kunden die Brücke zwischen IT, Fachbereich und Design. Mit mehr als 20 Jahren Erfahrung in der IT-Branche als Softwarearchitekt, Design Thinking Coach und agiler Projektmanager hat er die Fähigkeit, sich in kürzester Zeit einen Überblick über das Geschäft und die Prozesse seiner Kunden zu verschaffen und gemeinsam mit ihnen Verbesserungspotenziale zu identifizieren.

Michael beschäftigt sich seit 2003 mit erneuerbaren Energien und gründete im Jahr 2023 mit einigen Mitstreitern die Bürgerenergiegenossenschaft bürgerINenergie eG mit dem Ziel, mehr Menschen für die Energiewende zu begeistern, aktiv zu informieren und an Projekten zu beteiligen.

Das Praxisprojekt Digitale Energiewendeberatung vereint seine beiden Leidenschaften – menschzentrierte Innovation und Energiewende - und ermöglicht es der Genossenschaft bei erfolgreicher Umsetzung mehr Menschen niedrigschwellig zu informieren und bei konkreten Fragen zu ihrer persönlichen Energiewende zu unterstützen.

 

Feedback

Das "Mittelstand Digital Praxisprojekt” hat eindrucksvoll gezeigt, wie durch die Kombination von fachlicher Expertise und partizipativer Methodik innovative Lösungen für die digitale Energiewendeberatung entwickelt werden können. Die Fokusgruppenarbeit ermöglichte es, ein breites Spektrum an relevanten Fragestellungen zu identifizieren und gleichzeitig die Bedürfnisse und Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger direkt in den Entwicklungsprozess einfließen zu lassen. Besonders beeindruckend war die Offenheit für neue Ansätze und die Bereitschaft, auch unkonventionelle Lösungen zu diskutieren. Das Projekt ist ein wichtiger Schritt, um die Akzeptanz und das Engagement für die Energiewende in der Bevölkerung zu fördern.

 


News

Fokusgruppe als Grundlage zur Entwicklung einer digitalen Energiewendeberatung
Praktische Einblicke in die menschzentrierte Gestaltung einer innovativen, digitalen Unterstützung für die Energiewende
14.05.24
Der Blogbeitrag enthält Erkenntnisse aus der gemeinsamen Planung und dem Transfer von Methodenwissen zu einer Fokusgruppe im Themenfeld der Energiewendeberatung.
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Das Mittelstand-Digital Netzwerk bietet mit den Mittelstand-Digital Zentren und der Initiative IT-Sicherheit in der Wirtschaft umfassende Unterstützung bei der Digitalisierung. Kleine und mittlere Unternehmen profitieren von konkreten Praxisbeispielen und passgenauen, anbieterneutralen Angeboten zur Qualifikation und IT-Sicherheit. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ermöglicht die kostenfreie Nutzung der Angebote von Mittelstand-Digital. Weitere Informationen finden Sie unter www.mittelstand-digital.de.