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Im Mai haben wir darüber berichtet, warum bei der Entwicklung von KI menschliche Anforderungen und Eigenschaften berücksichtigt werden sollten. In diesem Fachartikel möchten wir nun aufzeigen, was hinter dem Ansatz der „Menschzentrierten KI“ steckt und wie UUX-Professionals zu KI-Projekten beitragen können.

Im Mai haben wir uns damit befasst, warum wir bei der Gestaltung von KI-Systemen auf die Anforderungen und Verhaltensweisen des Menschen achten sollten (Link zu Teil 1 hier). Im Fazit erwähnten wir damals den Ansatz der „Human-Centered AI“ (kurz HC-AI) oder der „Menschzentrierten KI“ als Vorgehensweise. Diesem Ansatz wollen wir uns heute widmen. HC-AI ist ein noch recht junges Forschungsfeld, das sich etwa um 2018 gebildet hat und seitdem immer mehr an Bedeutung gewinnt, was sich unter anderem an der Einrichtung vieler neuer Labore für dieses Thema an Universitäten, Instituten und Unternehmen weltweit zeigt. Doch was steckt dahinter und was bedeutet das für die Arbeit von UUX-Professionals?

Was bedeutet „Menschzentrierte KI“?

Dazu gibt es – wie so oft bei Begrifflichkeiten im Forschungsfeld der KI – noch keine einheitliche Definition. Doch im Kern geht es darum, KI-Systeme so zu gestalten, dass sie uns Menschen den größtmöglichen Nutzen bringen und unser Leben verbessern. Dieses ambitionierte Ziel soll bei der HC-AI nicht nur durch die technische Weiterentwicklung von KI, sondern auch die Berücksichtigung ethischer Fragestellungen sowie der Erklärbarkeit und Gebrauchstauglichkeit der KI-Anwendungen erreicht werden (Shneiderman, 2020; Xu, 2019). Nach dem neuen Modell von Xu, Dainoff, Ge und Gao (2021) gibt es drei Säulen der Menschzentrierten KI:

  • Technologie: „Wie können wir KI weiterentwickeln?“
  • Ethik: „Wie weit dürfen wir mit KI gehen?“
  • Mensch: „Wie soll die Nutzung von- oder die Zusammenarbeit mit KI aussehen?“

Somit ist die HC-AI kein grundlegend neues Nischen-Forschungsgebiet, sondern eher eine Vernetzung verschiedener Disziplinen mit einem gemeinsamen Fokus auf KI. Einen wichtigen Beitrag dazu liefert die Anwendung und Weiterentwicklung von Methoden des ursprünglich in der klassischen Software-Entwicklung angesiedelten Human-Centered Design (HCD, Menschzentrierte Gestaltung).

Was können UUX-Professionals für HC-AI-Projekte tun?

Häufig werden UUX-Professionals leider erst spät in KI-Projekten involviert, nachdem schon alle wichtigen funktionalen Entscheidungen getroffen wurden (Yang, Scuito, Zimmerman, Forlizzi & Steinfeld, 2018). Dabei können menschzentrierte Gestaltungmethoden schon bei der Ideenfindung und Konzeption von KI-Anwendungsfällen helfen, wie wir z.B. in unserem KI-Umsetzungsprojekt mit NuCOS oder dem KI-Pilotprojekt mit Lena Soukup gezeigt haben. Eine wichtige Neuerung im Design von menschzentrierten KI-Systemen liegt darin, immer häufiger nicht nur die Interaktion, sondern vielmehr die Zusammenarbeit zwischen Menschen und KI zu gestalten. Welche Aufgaben müssen oder wollen die Nutzenden weiterhin selbst ausführen? Bei welchen Aufgaben wünschen sie sich Unterstützung (Augmentierung) oder die komplette Automatisierung durch KI? Hier können Methoden wie das Scenario-Based Design oder der KI-Service-Blueprint zum Einsatz kommen, bei denen UUX-Professionals, KI-Entwickler und natürlich die zukünftigen Nutzenden des KI-Systems gleichermaßen einbezogen werden. Oder: Wie reagieren zukünftige Nutzende auf ein bestimmtes Verhalten eines KI-Systems? Wie kommen sie mit den KI-Funktionen zurecht? Um solche Fragen schon zu beantworten, bevor das System aufwendig implementiert werden muss, können UUX-Professionals Wizard-of-Oz-Prototypen erstellen und mit Nutzenden testen. Das sind nur ein paar Beispiele, wie UUX-Methoden in HC-AI-Projekten genutzt werden können – mehr dazu hier.

Wie viel muss ich als UUX-Professional über KI wissen?

Laut einer Interviewstudie mit 13 erfahrenen UUX-Professionals ist ein tiefgehendes technisches Verständnis von KI oder Machine Learning (ML) für die Design-Arbeit an KI-Systemen gar nicht notwendig (Yang et al., 2018). Doch gerade um neue, kreative Ideen für KI bzw. ML als UUX-Designmaterial zu entwickeln und über die Wiederholung bestehender Anwendungszwecke hinauszugehen, ist ein grundlegendes Wissen über die verschiedenen KI-Verfahren und Kategorien von ML auf jeden Fall hilfreich. Einen guten Einstieg bietet dazu z.B. unsere ausführliche KI-Grundlagen-Webinarreihe, die voraussichtlich Anfang 2022 erneut durchgeführt wird. Eine Kurzfassung von deren Inhalten gibt es auch im Rahmen unserer HC-AI-Workshopreihe, die ab September erneut startet. In Teil 1 werden die Grundprinzipien verschiedener KI-Verfahren sowie die Begriffe Usability, User Experience und Human-Centered AI in aller Kürze vorgestellt. In den darauffolgenden praktischen Workshops können verschiedene UUX-Methoden kennengelernt und ausprobiert werden, die sich für die Arbeit in KI-Projekten bzw. HC-AI-Projekten eignen.

Fazit von Teil 2

Human-Centered AI lebt – ebenso wie das Human-Centered Design im klassischen Software-Kontext – von der Arbeit in interdisziplinären Teams und der Einbeziehung der Nutzenden. Daher können UUX-Professionals wichtiges Methodenwissen und Erfahrung in der Durchführung menschzentrierter Gestaltungsansätze in KI-Projekte mitbringen. Um dieses Methodenwissen auszubauen oder hilfreiche Grundlagen über die Funktionsweisen von KI und Machine Learning zu lernen, können Sie auf die Unterstützung vom Kompetenzzentrum Usability zählen.


Literatur:

Shneiderman, B. (2020). Human-Centered Artificial Intelligence: Three Fresh Ideas. AIS Transactions on Human-Computer Interaction, 12(3), 109–124. https://doi.org/10.17705/1thci.00131

Xu, W. (2019). Toward Human-Centered AI: A Perspective from Human-Computer Interaction. Interactions, XXVI(4), 42–46.

Xu, W., Dainoff, M. J., Ge, L., & Gao, Z. (2021). From Human-Computer Interaction to Human-AI Interaction: New Challenges and Opportunities for Enabling Human-Centered AI, 1–73. Retrieved from http://arxiv.org/abs/2105.05424

Yang, Q., Scuito, A., Zimmerman, J., Forlizzi, J., & Steinfeld, A. (2018). Investigating How Experienced UX Designers Effectively Work with Machine Learning, 585–596. https://doi.org/10.1145/3196709.3196730


29.07.21

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